Vom 3.-7. Oktober 2022 fand die 18. Dialogbegegnung des Ökumenischen Patriarchats und der Evangelischen Kirche in Deutschland in Berlin statt. Es war der erste gemeinsame Dialog seit Beginn der Corona-Pandemie und umso größer war die Freude bei beiden Dialogparteien nun mit einem Jahr Verzögerung den Dialog fortzusetzen. Das Treffen fand unter dem Thema „Unsere Beziehungen nach dem Heiligen und Großen Konzil von Kreta 2016“ statt und nahm einige Dokumente dieses Konzils wie auch Reaktionen auf diese Dokumente in den Fokus.
Die beiden Delegationen aus je zehn Vertreter*innen aus Klerus und Wissenschaft der jeweiligen Kirche unterstanden der Leitung von Metropolit Dr. h.c. mult. Augoustinos von Deutschland und Bischöfin Petra Bosse-Huber. In einer Atmosphäre der gegenseitigen Wertschätzung und des Respekts trugen je drei Mitglieder der Delegationen ein Referat vor, das anschließend diskutiert wurde. Aus Zusammenfassungen dieser Referate und der anschließenden Diskussionen setzt sich auch das Kommuniqué zusammen, das am Ende der Woche verabschiedet wurde und hier nachzulesen ist.
Zunächst stellte Prof. em. Dr. Konstantinos Delikostantis das Konzilsdokument Der Auftrag der Orthodoxen Kirche in der heutigen Welt in seiner Entstehung vor und darin eine starke soziale Ausrichtung der Kirche fest. Anschließend fragte PD Dr. Reinhard Flogaus in seinem Vortrag nach den in der Enzyklika von Kreta erwähnten früheren Konzilien, von denen einige stark antiprotestantischen Charakter hatten. In der zweiten Runde der Referate analysierte Prof. Dr. Andreas Müller die zunehmend exklusive Ekklesiologie der das Konzil vorbereitenden Dokumente seit 1986. Dr. Marina Kiroudi betonte, wie sich die Konzilsdokumente Beziehungen der Orthodoxen Kirche zur übrigen christlichen Welt und die Enzyklika trotz der Spannung zwischen der ontologischen Einheit der Kirche und dem Paradoxon der Vielfalt eindeutig für die ökumenische Zusammenarbeit aussprechen. Daraufhin thematisierte Dipl.-Theol. Georgios Vlantis das im Nachhall zum Heiligen und Großen Konzil erschienene Dokument des Ökumenischen Patriarchats Für das Leben der Welt. Auf dem Weg zu einem Sozialethos der Orthodoxen Kirche (FLW), das ein breites sozialethisches Themenspektrum behandelt und „Zeugnis von einer offenen, mutigen, dialogfähigen Theologie“ ablegt. Schließlich hielt Prof. Dr. Elisabeth Gräb-Schmidt anlässlich der in der Enzyklika als Herausforderung der Säkularisierung genannten Autonomie die großen Gemeinsamkeiten der reformatorischen und orthodoxen theologischen Positionen zur Freiheit des Menschen fest.
Die besprochenen Dokumente spiegeln einen Diskussionsprozess wider, der einen in die Zukunft offenen Weg beschreibt. Besonders in FLW ist ein spürbarer Aufbruch in der Beschäftigung der orthodoxen Theologie mit den Herausforderungen der Gegenwart markiert. Begrüßt wurden insbesondere die dialogischen Impulse, die die Dokumente signalisieren.
(Die Autorin dieses Berichts ist Frau Paulien Wagener, eine ehemalige Praktikantin am Konfessionskundlichen Institut, die als Vertreterin des Jungen Forum Orthodoxie gastweise an dieser Dialogsitzung teilnahm.)