Mit dem Krieg in Berg-Karabach (armen. Arzach) im Herbst 2020 ist eine Weltregion wieder einmal für einen kurzen Moment in das Blickfeld der Welt gerückt, die in Deutschland wenig bekannt ist. Dabei leben immerhin 50000 bis 80000 Armenier in Deutschland. Für sie riss dieser Krieg alte Wunden wieder auf und weckte Ängste aufgrund der tief eingegrabenen Erinnerung an den Genozid von 1915.
Der neu ausgebrochene Konflikt im letzten Jahr war der Anstoß für eine Tagung, die vom Orthodoxiereferat des Konfessionskundlichen Instituts in Kooperation mit Prof Dr. Martin Tamcke, Göttingen und Prof. Dr. Andreas Müller, Kiel von deutscher Seite sowie Dr. Harutyun Harutyunyan von der American University in Eriwan organisiert wurde. 50 Interessierte, Deutsche und Armenier, fanden sich dazu am 8. Juni von 16 bis 20 Uhr vor ihren Bildschirmen zusammen.
Die Vorträge und Gespräche waren allerdings nicht den Vorgängen im Herbst gewidmet, sondern dienten dazu, die Sorge mehrerer deutsche Wissenschaftler – Theolog*innen und Orientalist*innen – um das kulturelle Erbe der Armenischen Apostolischen Kirche, einer der ältesten Kirchen der Welt, aufzunehmen.
Dazu hatten die Organisator*innen die Handschriftenspezialistin Tamara Minasyan vom Zentralarchiv für alte armenische Handschriften in Eriwan, dem berühmten ‘Matenadaran’ eingeladen, eine Auswahl von Handschriften vorzustellen, die aus Berg-Karabach stammen und bisher auch dort aufbewahrt wurden, aber während des Krieges nach Eriwan in Sicherheit gebracht wurden. Es handelt sich dabei um einzigartige illuminierte Handschriften aus dem 10.-14. Jahrhundert mit wunderbaren Miniaturen, von denen man hofft, sie bald wieder nach Arzach bringen zu können.
Der zweite Teil der Tagung zeigte die schon seit Jahrhunderten bestehenden Beziehungen zwischen deutschen Wissenschaftlern und Armenien auf. Prof. Dr. Martin Tamcke, Prof. Dr. Andreas Müller und Pfr. Dr. Axel Meissner stellten in Kurzporträts die deutschen Theologen und Orientalisten Carl Friedrich Andreas, Georges Bachimont, Johannes Lepsius, Friedrich Heyer und Hermann Goltz vor, die sich im 19. und 20. Jahrhundert um die Erforschung der armenischen Kultur und der armenischen Kirche verdient gemacht bzw. sich für die Armenier während und nach dem Genozid eingesetzt haben. Prof. Dr. Hacik Gazer aus Erlangen gab außerdem einen Einblick in die Geschichte der Tätigkeit der Basler Mission im Gebiet von Arzach im 19. Jahrhundert.
Die Orthodoxiereferentin des Konfessionskundlichen Instituts, Dr. Dagmar Heller, erläuterte das Interesse der Organisator*innen dieser Tagung, an der 50 Interessierte teilnahmen, die Kenntnisse über die Armenische Apostolische Kirche, ihre spezifische Kultur und ihre Rolle in der Ökumene zu stärken und weiter zu verbreiten. Es ging darum, darauf hinzuweisen, dass ein einzigartiges christliches Erbe in dieser Region geschützt werden muss. Als Geschwister im Glauben seien evangelische und katholische Christen in Deutschland dazu verpflichtet, die Bemühungen zur Bewahrung deser Kulturgüter zu unterstützen. Aber es gehe nicht nur darum das armenische kulturelle Erbe nicht untergehen zu lassen, sondern auch „unsere eigene Kultur und unseren Glauben dadurch bereichern zu lassen.“