„Digital und dezentral“, so lautete der aus der Not geborene Werbeslogan für den 3. Ökumenischen Kirchentag (ÖKT), der vom 13. bis zum 16. Mai in Frankfurt am Main, für die meisten Teilnehmer*innen aber im Internet stattfand. Hinzu kamen „dezentrale“ Veranstaltungen an verschiedensten Orten. Indem die Teilnahme am ÖKT also weitgehend am Bildschirm stattfand, bekam das biblische Motto dieses Kirchentags, „Schaut hin“ (Mk 6,38), eine ursprünglich ungeahnte zusätzliche Bedeutung.

Die Referent*innen des Konfessionskundlichen Instituts (KI) Bensheim wären an einer Reihe von Veranstaltungen beteiligt gewesen, wenn der ÖKT im gewohnten Präsenzformat mit 100.000 oder mehr Teilnehmer*innen hätte stattfinden können. Seit 2019 waren Martin Bräuer, D.D., Dr. Miriam Haar, Dr. Dagmar Heller, Dr. Hanne Lamparter und Dr. Lothar Triebel vielfältig an Planungen für den ÖKT beteiligt gewesen. Gemeinsam mit Kooperationspartnern aus der Ökumene hatten sie Veranstaltungen konzipiert und Broschüren redigiert; Triebel war 2020 auch in der Projektkommission Forum Ökumene des ÖKT engagiert. Selbst als der ÖKT das erste Mal umgeplant wurde, von der sechsstelligen Teilnehmerzahl auf etwa 30.000, war das KI noch auf verschiedenen Ebenen beteiligt. Am Ende, nach der zweiten Umplanung des ÖKT und der durch Corona erzwungenen Reduktion des Programms auf einige wenige Veranstaltungen, war es die KI-Leiterin Dagmar Heller, die bei einem sogenannten ‚Barcamp‘: „Was ich schon immer fragen wollte …“, Rede und Antwort zu Fragen stand, die sich auf das evangelisch-landeskirchliche Christentum bezogen.

Von aktiver Mitgestaltung befreit konnten sich die KI-Referent*innen einer ihrer Standardaufgaben widmen: Der Beobachtung und konfessionskundlichen Analyse dessen, was sich in der ökumenischen Welt, hier: auf dem ÖKT tut. Im Vorfeld war intensiv über die Frage diskutiert worden, wie denn die Teilnahme an der Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier der jeweils anderen Konfession zu bewerten sei. Catholica-Referent Martin Bräuer hatte in einem Interview mit dem epd kurz vor dem ÖKT die Öffnung als „starkes ökumenisches Symbol“ gewertet. Während des Kirchentags nahmen dann die evangelische Präsidentin des ÖKT an der katholischen Eucharistiefeier und der Kommunion im Frankfurter Kaiserdom teil, der katholische Präsident am evangelischen Abendmahl in der Gemeinde am Riedberg. Der Ratsvorsitzende der EKD und der Limburger Weihbischof Thomas Löhr waren beim orthodoxen Vespergottesdienst zugegen. Die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags, Julia Helmke, und der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Marc Frings, nahmen im Gottesdienst der Freien evangelischen Gemeinde am Abendmahl teil.

Dadurch, dass mit Erzpriester Radu Constantin Miron derzeit (und erstmals in der Geschichte) ein Orthodoxer Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) ist, war eine gut sichtbare orthodoxe Präsenz auf dem ÖKT ohnehin zu erwarten. Orthodoxie-Referentin Dagmar Heller nahm aber darüber hinaus auch viele andere orthodoxe Beiträge wahr, beim Eröffnungsgottesdienst, den Bibelarbeiten, beim Live-Podium zu „Eucharistie und Abendmahl“ oder auch in Videoeinspielungen bei verschiedenen Programmpunkten, z.B. zum Thema Taufe. Auffällig war dabei, dass es in erster Linie Vertreter des Ökumenischen Patriarchats waren, die sich beteiligten. Die in Deutschland zahlenmäßig größte orthodoxe Kirche, die von Rumänien, war aber z.B. im orthodoxen Vespergottesdienst am Samstagabend vertreten. Aus dem Bereich der orientalisch-orthodoxen Kirchen gab es zwei dezentrale Angebote.

Freikirchenreferent Lothar Triebel verzeichnete eine prozentual ungleich höhere Beteiligung der Freikirchen als beim 2. ÖKT (München 2010). Die Bemühungen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), die in Deutschland kleineren Kirchen zur Mitarbeit zu gewinnen und bei großen Co-Veranstaltern bzw. Organisatoren (Zentralkomitee der Deutschen Katholiken und Deutscher Evangelischer Kirchentag sowie die einladenden Bistümer und Landeskirchen) um Freiraum für die kleineren Kirchen zu werben, hat sich auch hier ausgezahlt. Ein paar Beispiele für Freikirchen seien genannt: Schon beim Eröffnungsgottesdienst wirkte Rosemarie Wenner, Bischöfin i.R. der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK), mit. Ihr Nachfolger, der amtierende Bischof Harald Rückert, gestaltete zusammen mit einer griechisch-orthodoxen Partnerin eine Bibelarbeit. Wenner war auch in einer Themenrunde zu Sexismus in der Kirche mit einem Statement zu hören. Und beim Abschlussgottesdienst predigte die ev.-methodistische Pastorin Mareike Bloedt gemeinsam mit einer rk. Ordensfrau. Aber z.B. auch der Frankfurter Pastor loci des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG), Sebastian Gräbe, die baptistische Kirchengeschichtlerin Prof. Dr. Andrea Strübind, die mennonitische Pastorin Nicole Witzemann und die Theologische Referentin im Kirchenamt der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, Dr. Andrea Grünhagen, waren an prominenten „Sendeplätzen“ bzw. mit eindrücklichen Statements dabei. Apostel i.R. Volker Kühnle, Ökumenebeauftragter der Neuapostolischen Kirche, stellte sich genauso wie Pastor Frank Uphoff, Vizepräses im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden, den Fragen der digitalen Kirchentagsbesucher*innen beim Barcamp. In seinem idea-Kommentar nach dem ÖKT (17.5.2021) schrieb Uphoff darüber: „… erlebte ich ein Miteinander, wie ich es schätze. Offene, ehrliche, auch kritische Fragen in einer respektvollen und wohltuenden Atmosphäre …“ Allerdings vermisste er „die Themen mit einem klaren christuszentrierten, missionarischen Blick nach vorne“.

Als Vertreter der Anglikanischen Kirche stand The Rev. Christopher Easthill, Wiesbaden, der auch die Arbeitsgemeinschaft Anglikanischer-Episkopaler Gemeinden in Deutschland im ACK Vorstand vertritt, beim oben bereits erwähnten „Barcamp” Rede und Antwort bei Fragen zu den anglikanischen Kirchen.

Trotz des stark reduzierten Programmes waren prominente Vertreter*innen der weltweiten Ökumene aktiv am Programm beteiligt. So wurde z.B. Dr. Agnes Aboum, die Vorsitzende des Zentralausschusses des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK), auf einen Hauptpodium interviewt, und Erzbischof Dr. Panti Filibus Musa, der Präsident des LWB, hielt eine Bibelarbeit zu Gen 6,12-22. Dennoch empfand Anglikanismusreferentin Miriam Haar, die derzeit auch das Referat Weltökumene vertritt, die Verlegung des ÖKT in die digitale Welt im Bereich der internationalen Ökumene besonders einschneidend, da sie hier den Mehrwert, den die persönliche Begegnung und der Austausch vor Ort bietet, erheblich vermisste.

Auffallend war, dass beim zweiten (und letzten) Hauptpodium: „Wie glaubwürdig sind die Kirchen?“ die in Deutschland großen Kirchen unter sich waren. Immerhin gibt es rund 2,4 Mio. Christ*innen in Deutschland, die nicht der rk. Kirche oder einer Gliedkirche der EKD angehören. Ist Glaubwürdigkeit dort kein Thema?

Am Ende des Abschlussgottesdienstes wurde wie üblich zu den nächsten Großbegegnungen eingeladen, zum Katholikentag 2022 in Stuttgart und zum Evangelischen Kirchentag 2023 nach Nürnberg, zusätzlich zum Rahmenprogramm der Vollversammlung des Ökumenischen Rats 2022 in Karlsruhe. Ausdrücklich wurde jeweils zu ökumenischer Beteiligung an Katholiken- und Ev. Kirchentag aufgerufen. Das lassen sich das KI und seine Projektpartner nicht zwei Mal sagen: Einige der eigentlich für den ÖKT geplanten Veranstaltungen werden nun in modifizierter Form als Vorschläge für den Katholikentag eingereicht werden.

Ansprechpartner

Pfr. Dr. Lothar Triebel
Referat Freikirchen

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