Corona kam unerwartet. Sie stellt die Unverfügbarkeit des Lebens klar vor Augen. Und den Alltag der Menschen auf den Kopf – weltweit. Corona verändert. Diese Welt, die Kirchen, die Einstellungen und uns alle. Wir sind mitten drin.
„Jetzt ist der Moment…“, sagt Pastor Dr. Martin Junge, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes. „Jetzt ist der Moment, um die Debatte neu zu beleben.“ Er meint die Debatte um Gerechtigkeit, ausreichende Ressourcen und einen gerechten Zugang zu Gesundheitssystemen.
Aber: Was macht diesen Moment so besonders? Warum gerade jetzt? Kann die Corona-Krise etwa eine Chance sein? Wachrütteln, um die Gesundheit und das Wohlergehen aller Menschen an die erste Stelle zu setzen? Und von diesem Ziel ausgehend, Finanz- und Wirtschaftssysteme neu überdenken?
Das zumindest ist die Hoffnung der 25 Teilnehmenden zweier Online-Konferenzen zum Thema: „Ökonomie des Lebens in Zeiten der Pandemie“, die Ende April stattfanden. Diese wurden vom Ökumenischen Rat der Kirchen, dem Lutherischen Weltbund, der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen und dem Rat für Weltmission initiiert und finanziert. Sie waren Teil der gemeinsamen NIFEA-Initiative: Diese strebt eine neue internationale Finanz- und Wirtschaftsarchitektur (NIFEA = New International Financial and Economic Architecture) an, die von den Menschen ausgehen soll, die an den Rändern der Gesellschaft stehen.
„Unsere Wirtschaftssysteme müssen den Menschen über den Profit stellen!“, formulierte Junge prägnant, und Prof. Dr. Isabel Apawo Phiri, Stellvertretende Generalsekretärin des ÖRK, führte hierzu aus: „Im grellen Licht von COVID-19 kommen die großen Ungleichheiten von Einkommen und Vermögen noch klarer zum Vorschein“. Sie rief dazu auf, hierbei nicht stehen zu bleiben, sondern die Herausforderung anzunehmen: „Unsere Reaktionen auf die Pandemie könnten die Welt sehr wohl zum Besseren wandeln und die Art und Weise, wie wir leben, was wir essen und kaufen, was wir herstellen, wie wir Güter verteilen und wie wir unser Geld investieren, grundlegend verändern.“ Dem pflichtete Pastor Dr. Chris Ferguson, Generalsekretär der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen bei, und ergänzte: „Wir müssen diese Fragen über Schulden und Besteuerung in Angriff nehmen. Unsere nächsten Schritte, dabei auch die kurzfristigen, dürfen nicht weniger als drastisch sein.“
Eine weitere Beobachtung teilten die Konferenzteilnehmer*innen: Der ökonomische Zusammenbruch vielerorts und die Unsicherheit seien Nährboden für Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und Protektionismus. Daher sei jetzt der Moment, um die Stimmen zu erheben. Dies geschah umgehend: Denn als Ergebnis verfassten die Teilnehmenden eine gemeinsame Mitteilung, die als Grundlage im Austausch mit Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank, den G20 und den Vereinten Nationen dienen sollte, und riefen dazu auf, in faire Gesundheitssysteme, Bildung und soziale Hilfen zu investieren und so einen Beitrag zu Frieden und Gerechtigkeit zu leisten.