Derzeit ist die christliche Orthodoxie stärker im Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit als das noch vor zwei Jahren der Fall war. Die Kirchen, die im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg im Vordergrund stehen, sind aber nur ein Teil der Kirchen, die unter dem Sammelbegriff ‚Orthodoxie‘ erfasst sind. Als ‚orthodox‘ bezeichnen sich nämlich weitere Kirchen, die eine eigene Kirchenfamilie bilden: die Gruppe der so genannten orientalisch-orthodoxen Kirchen. Sie sind bereits im 6. Jahrhundert entstanden durch eine Spaltung, die sich in den östlichen Randgebieten des damaligen Römischen Reiches entwickelte aus Diskrepanzen über die Frage nach dem Verständnis der Gleichzeitigkeit von Christi Gottsein und Menschsein.

Zu dieser Gruppe von Kirchen gehört auch die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien. Ihr angestammtes Gebiet liegt im heutigen Syrien, in der Südost-Türkei sowie im westlichen Irak. Ihre Geschichte ist geprägt von Auseinandersetzungen mit den Orthodoxen, die die damalige Reichskirche bildeten und danach strebten die Syrer in die Reichskirche einzugliedern einerseits und muslimischen Herrschern andererseits, von denen sie verschiedentlich bereits seit dem Ende des 7. Jahrhunderts immer wieder beherrscht wurden.

Der Kirche ist es gelungen, bis heute in ihren Heimatländern zu überleben, aber unter sehr erschwerten Umständen. Nach dem Ersten Weltkrieg blieb den Syrern in der Türkei nur die Region des „Tur Abdin“ als geschlossenes Siedlungsgebiet. Die Schikanen, denen sie dort von Seiten des Staates oder auch von kurdischen Freiheitskämpfern ausgesetzt waren (und sind), veranlasste eine große Mehrheit ihrer Zugehörigen in den 1960er Jahren auszuwandern. Auf diese Weise kam eine große Zahl von syrisch-orthodoxen Christen nach Deutschland. Auch in Syrien konnte die Kirche nur mit Mühe überleben, obwohl sie lange Zeit von der Minderheitenpolitik des Assad-Regimes profitierte.

Heute zählt die Syrisch-Orthodoxe Kirche weltweit ca. 3 Mio Gläubige, davon etwa 100000 in Deutschland. An ihrer Spitze steht ein Patriarch; seit 2014 ist dies Ignatios Ephrem II. (Karim), der seinen Sitz in Damaskus hat. Die Gemeinden in Deutschland unterstehen dem Erzbischof Philoxenos Mattias Nayis (seit 2012), mit Sitz in Warburg.

Die Leiterin und Orthodoxiereferentin des Konfessionskundlichen Instituts stattete dem Erzbischof am 28.4.2023 einen Besuch ab, um dessen im Kloster Hl.Jakob von Sarug besser kennenzulernen und sich über die derzeitige Situation der Kirche zu informieren. An dem Gespräch nahmen auch Pfarrer Dr. Christian Hohmann von der Westfälischen Landeskirche teil sowie die Referenten des Erzbischofs Adnan Mermertas und Audin Yalcin. Die überwältigende Gastfreundschaft bestätigte einmal mehr, dass Ökumene insbesondere im Nahen Osten weniger mit theologischen Debatten, sondern mit gemeinsamem Essen und gegenseitigem Austausch zusammenhängt.

Die Syrisch-Orthodoxe Kirche als Migrantenkirche musste und muss sich in vielem an die Gegebenheiten in Deutschland erst anpassen. Z.B. kam die Frage auf, ob sie KdöR werden sollte und welche Bedeutung dies für sie hat. Die Frage des syrisch-orthodoxen Religionsunterrichts beschäftigt diese Kirche schon lange. Es gibt inzwischen sehr gute Bücher für den syrisch-orthodoxen Religionsunterricht, der vor allem in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg inzwischen an öffentlichen Schulen erteilt werden kann. Eine Schwierigkeit ist die Spannung, insbesondere der Jugend die syrische Tradition und damit religiöse Identität zu vermitteln und gleichzeitig diese Tradition mit der modernen Welt in Beziehung zu setzen. Die Syrisch-Orthodoxe Kirche ist stolz darauf, die Sprache Jesu, das Aramäische, zu sprechen, doch vielen Jugendliche können diese Sprache nicht mehr.

Das Orthodoxiereferat des Konfessionskundlichen Instituts möchte dazu beitragen, Kenntnisse über diese Kirche in Deutschland zu vermitteln. Dies wird der Integration syrischer Christen in Deutschland helfen, aber auch die Ökumene in Deutschland bereichern.

Ansprechpartnerin

Pfrin. Dr. Dagmar Heller
Wissenschaftliche Referentin für Orthodoxie und Leitung

Telefon

06251.8433.19