Der EKD-„Grundlagentext“ zum Reformationsjubiläum „Rechtfertigung und Freiheit“ ist auf große Resonanz gestoßen. Die Druckauflage liege mittlerweile bei 15.000 Exemplaren, sagte EKD-Pressesprecher Carsten Splitt. Hinzu kämen rund 12.000 PDF-Downloads von der Internetpräsenz der EKD (www.ekd.de). In einem Geleitwort zur vierten Auflage freut sich der Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm: „Es wird wieder über Theologie diskutiert und dazu im Vorfeld des Reformationsjubiläums über ein Kernthema reformatorischer Theologie.“ Ausführlich geht er sodann auf die aus der Ökumene geäußerte teils heftige Kritik an dem Text ein.Wenn darin evangelisches Selbstverständnis pointiert zum Ausdruck gebracht werde, gehe es gleichwohl „nicht um konfessionelle Abgrenzung gegenüber anderen“, betont der bayerische Landesbischof. „Für interessierte (evangelische) Christenmenschen soll im Vorfeld des Jubiläums der Anlass für ein Fest allgemeinverständlich erklärt werden, zu dem alle eingeladen sind.“ Auf den ökumenischen Dialog nehme der Text „nur summarisch“ Bezug und erwähne die einzelnen Dialogdokumente „nicht explizit“, so Bedford-Strohm. „Deswegen ist es – auch in Aufnahme der inzwischen angestoßenen Diskussion – wichtig, ausdrücklich an das 2013 erschienene Dokument der Lutherisch/Römisch-katholischen Kommission für die Einheit ‚Vom Konflikt zur Gemeinschaft‘ zu erinnern, in dem das ausführlich geschieht.“
Dieses Dokument deute die Kernanliegen der Reformation vor dem Hintergrund des ökumenischen Gesprächs. Beiden Schriften gemeinsam sei, dass sie die 1999 von Vertretern des Lutherischen Weltbundes und der römisch-katholischen Kirche unterzeichnete „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ voraussetzten. „Bereits damals wurde ein Grundkonsens im Verständnis der Rechtfertigungslehre formuliert und festgehalten, dass die bestehenden Unterschiede keinen kirchentrennenden Charakter mehr haben“, betont der EKD-Ratsvorsitzende. In der Darstellung der Kernanliegen reformatorischer Theologien setze „Rechtfertigung und Freiheit“ traditionsbewusst bei der Rechtfertigungslehre an und verwende die aus dem 19. Jahrhundert stammende Zusammenstellung von vier soli (von lat. solus = allein): „allein Christus“, „allein aus Gnade“, „allein aufgrund der Schrift“, „allein durch den Glauben“. Die vier Exklusivpartikel würden um eine fünfte Wendung erweitert. „Allein im Wort“ weise auf das göttliche Vergebungs- und Gnadenwort hin, das im mündlich zugesagten Wort der Bibel präsent sei. Einsichten der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 und des Zweiten Vatikanischen Konzils seien hier aufgenommen worden.
Wörtlich schreibt Bedford-Strohm: „Auch dadurch wird deutlich: Bei der Beschreibung der Grundanliegen reformatorischer Theologien und bei der Einsicht in ihre bleibende theologische Bedeutung besteht ein höchst erfreulicher ökumenischer Konsens. Die ‚allein …‘-Formulierungen haben heute ihren ursprünglich kontroverstheologischen Charakter verloren und betonen die gemeinsame Verantwortung der christlichen Kirchen für die Verkündigung des Wortes Gottes. Die z.T. überzogene Kritik an ‚Rechtfertigung und Freiheit‘ übergeht diese Zusammenhänge, sie zeigt aber auch, dass im Blick auf das ökumenische Miteinander die Bezugnahme auf jene Dialoge deutlicher gemacht hätte werden können.“
Verbleibende Unterschiede ließen sich benennen, sie dürften und sollten aber kein Hinderungsgrund für ökumenisch-geschwisterliche Gemeinschaft sein, so der Ratsvorsitzende weiter. „Deswegen bin ich froh, dass sich die anfänglichen Wogen der Debatte mittlerweile gelegt haben. Die Diskussion möge aber Ausgangspunkt und Ansporn sein für ein intensiviertes wechselseitiges Hinhören auf den jeweils anderen, um das Jahr 2017 in ökumenischer Gemeinsamkeit tatsächlich als großes Christusfest zu feiern. Rechtfertigung und Freiheit will für eine solche gemeinsame Feier werben.“ Der Ratsvorsitzende und Bayerische Landesbischof Bedford-Strohm ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim, Ökumenisches Arbeitswerk der EKD.
kna-Ökumenische Information 17, 21. April 2015