Eine Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen ist ein Großereignis, das seine Schatten weit voraus wirft. Aufgrund der Pandemie ist zwar nach wie vor fraglich, in welcher Größe die Vollversammlung vom 31. August bis 8. September stattfinden wird. Mit drei verschiedenen Szenarien wird gegenwärtig geplant. Doch je näher das ökumenische Highlight rückt, desto intensiver werden auch die inhaltlichen Vorbereitungen.
So trafen sich über 170 Personen aus zahlreichen europäischen Kirchen bei einer European Regional Pre-Assembly, organisiert von der Konferenz Europäischer Kirchen. Eingeladen war ursprünglich nach Warschau, nun tagte man am 25.-26.02.2022 digital, mit einem dicht gefüllten Programm aus Inputs, Kleingruppengesprächen, Plenumsdiskussionen, Confessional Meetings und Gebetszeiten. Vom Konfessionskundlichen Institut nahmen Dr. Jonathan Reinert, der seit 1. März im Referat für Weltökumene mitarbeitet und Dr. Miriam Haar, Referentin für Anglikanismus und Weltökumene teil.
„Christ`s love moves the world to reconciliation and unity” (in der offiziellen Übersetzung: „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“) – so lautet das Thema der Vollversammlung und an diesem Thema orientierte sich auch die Pre-Assembly. In drei thematischen Blöcken ging es darum, das Thema auf unsere Situation in Europa, die freilich in sich höchst plural ist, anzuwenden und von Europa aus wiederum die globale Perspektive einzunehmen. Welche Bedeutung hat die Betonung der Liebe Christi für unsere Kirchen in Europa in einem zunehmend säkularen und weltanschaulich pluralen Kontext? Welche Erfahrungen von Versöhnungsprozessen haben wir gemacht: zwischen Volksgruppen, zwischen Konfessionen, aber auch innerhalb von Konfessionen? Welche Fragen, Herausforderungen und Chancen sehen wir für unsere Kirchen und für die ökumenische Bewegung in dieser Zeit?
Eine solche Onlinetagung mit zahlreichen Menschen aus ganz unterschiedlichen Kontexten lässt sich kaum auf einen Nenner bringen – doch dürfte dies auch kaum das angestrebte Ziel der Pre-Assembly gewesen sein. Vielmehr ging es darum, verschiedene Stimmen zu Gehör zu bringen, viele Perspektiven und Meinungen einzubringen und so miteinander in Austausch zu treten.
Ein Thema beschäftigte jedoch alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung und durchzog die Gespräche und Gebete von Beginn bis zum Ende: der kurz vor der Pre-Assembly ausgebrochene Krieg in der Ukraine aufgrund des Angriffs Russlands. Welchen Klang erhält das Thema „Christ`s love moves the world to reconciliation and unity” im Angesicht eines Angriffskrieges in Europa? Das Programm wurde kurzerhand geändert und der erste Vormittag diesem schrecklichen Ereignis und den kirchlichen Reaktionen in Europa und darüber hinaus gewidmet. Viele beeindruckten die Gedanken des Direktors des Institute of Ecumenical Studies der Ukrainian Catholic University, Dr. Pavlo Smytsnyuk, zu den Themen Einheit (unity), Verbundenheit (interconnectedness) und Versöhnung (reconciliation). Er schloss mit einem Wort Jesu aus den Seligpreisungen, von dem her das Gesamtthema der Vollversammlung des ÖRK in der aktuellen Situation in Europa wohl weiter zu beleuchten sein wird: „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt 6,9)
Jonathan Reinert, Referent für Weltökumene