Der aus Württemberg stammende Theologe Joachim Lell hat als zweiter Leiter des Konfessionskundlichen Instituts wesentlich zu dessen Aufbau und internationaler Anerkennung beigetragen. Geboren am 5. Februar 1916 in Heidenheim an der Brenz wurde Lell Generalstabsoffizier und studierte nach dem Zweiten Weltkrieg evangelische Theologie in Neuendettelsau und Tübingen. Zu seinen wichtigsten akademischen Lehrern gehörten Gerhard Ebeling und Hanns Rückert. Nach verschiedenen Stationen im Pfarrdienst war er von 1952 an Pfarrer an der Johannesgemeinde in Stuttgart. Den Evangelischen Bund kannte er bereits als Geschäftsführer dieses Werkes in Württemberg und wurde 1957 als Nachfolger Wolfgang Suckers Bundesdirektor und ab 1963 zugleich Leiter des Konfessionskundlichen Instituts in Bensheim und wirkte dort bis 1981.
Seinem Engagement war es zu verdanken, dass in knapp 25 Jahren aus einem kleinen Mitarbeiterstab eine Belegschaft von 20 Personen mit sieben wissenschaftlichen Referenten entstehen konnte. In diese Zeit fiel auch der Umzug des Instituts 1967 in das von der EKD errichtete Dienstgebäude in der Bensheimer Weststadt. Die dort guten Arbeitsbedingungen ermöglichten auch den Ausbau der Forschungsmöglichkeiten und der Tagungs- und Fortbildungsarbeit. 1962 wurde auf Lells Betreiben hin mit Konfessionskundlern aus den Niederlanden und der Schweiz der „Evangelische Arbeitskreis für Konfessionskunde in Europa“ gegründet, der heute eng mit der „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa – Leuenberger Kirchengemeinschaft“ (GEKE) zusammenarbeitet. Und Lell gehörte zu den Mitbegründern der 1971 entstandenen „Konferenz Kirchlicher Werke und Verbände“ (KKWV) als selbstorganisierte Arbeitsgemeinschaft innerhalb der EKD, die er viele Jahre auch selbst geleitet hat.
Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Tübingen verlieh Lell 1968 die Ehrendoktorwürde. Sie würdigte damit seine wissenschaftliche und publizistische Arbeit auf dem Gebiet der Konfessionskunde, vor allem zum Thema „Konfessionsverschiedene Ehe“. Lell war nicht nur ein leidenschaftlicher Prediger, sondern auch ein beliebter Hochschullehrer. Von 1980 an hatte er an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Mainz einen Lehrauftrag für Konfessionskunde und wurde 1985 zum Honorarprofessor ernannt.
In einem ZDF-Interview von 1980 wurde seine Kritik an der sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil etablierten Konvergenzökumene deutlich, die er schon damals in einer Sackgasse sah. Die Grundlagen des Glaubens in den verschiedenen Konfessionen bezeichnete er als Voraussetzung für tragfähige ökumenische Brückenschläge: „Es wäre also nicht zu fragen, wie ähnlich oder gar gleich wir sind, sondern welche Möglichkeiten das Evangelium uns an die Hand gibt, trotz unserer Gegensätze Gemeinschaft zu finden und sich gegenseitig kirchlich anzuerkennen.“
Joachim Lell ist es auch zu verdanken, dass er in seinen letzten Dienstjahren die Voraussetzungen dafür schuf, dass ein Ostkirchenreferat geschaffen und das Ökumenereferat mit einem Baptisten besetzt wurde. Auch im Ruhestand war er noch unermüdlich als Seelsorger und Referent tätig und organisierte zahlreiche Exkursionen für Studierende. Er starb am 11. November 1993 in Bensheim.
(Dr. Walter Fleischmann-Bisten)