
v.l. D.Heller, J. Schneider, A. Cilerdzic, G. Feige (Foto: Johannes Oeldemann)
Im Dezember 2018 wurde in der Ukraine eine neue orthodoxe Kirche gegründet, die im Januar 2019 vom ökumenischen Patriarchen die Autokephalie (Selbständigkeit) verliehen bekam. Seither besteht unter den anderen orthodoxen Kirchen Uneinigkeit darüber, ob diese Kirche als kanonisch anerkannt werden kann oder nicht. Gegen die Anerkennung dieser Kirche hat sich das Moskauer Patriarchat ausgesprochen und während des Gründungsprozesses die Gemeinschaft mit dem Patriarchat von
Konstantinopel aufgekündigt. So weit ist bisher keine der anderen Kirchen gegangen, aber es zeichnen sich unterschiedliche Lager ab, nämlich Kirchen, die die neue Kirche anerkennen, andere, die sie nicht anerkennen und solche, die sich noch nicht eindeutig dazu geäußert haben bzw. versuchen, eine Mittelposition einzunehmen. Da diese Situation auch Auswirkungen auf die gesamte Ökumene außerhalb der Orthodoxie hat, beobachten auch evangelische und katholische Kirchen diese Entwicklung mit Spannung.
Aus diesem Grund veranstalteten das Orthodoxiereferat des Konfessionskundlichen Instituts, das Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik in Paderborn und das Institut für Ökumenische Forschung in Straßburg sowie die Professur für Orthodoxe Theologie am Centrum für religionsbezogene Studien an der Universität Münster gemeinsam mit der Evangelischen Akademie Tutzing und der Katholischen Akademie in Bayern vom 7. bis 8. Februar 2020 in München eine Tagung zum Thema „Ukraine: Die Orthodoxe Kirche vor einem Schisma?“. Dazu waren zwei Vertreter aus der Ukraine eingeladen, Dr. Sergij Bortnyk von der Ukrainischen Kirche des Moskauer Patriarchats und Erzpriester Georgij Kovalenko von der Orthodoxen Kirche der Ukraine, d.h. der neu gegründeten Kirche. Zusammen mit Dr. Johannes Oeldemann vom Johann-Adam-Möhler-Institut gaben sie einen Überblick über die derzeitige kirchliche Situation in der Ukraine. Von Vertretern verschiedener orthodoxer Kirchen (Erzpriester Radu Constantin Miron – Patriarchat Konstantinopel; Pfr. Evgenij Murzin – Patriarchat Moskau; Pfr. Dr. Radu Preda – Rumänisch Orthodox Kirche; Rade Kisić – Serbische Orthodoxe Kirche) wurden die Konsequenzen des Konflikts innerhalb der Orthodoxie diskutiert. Die Konsequenzen für die weltweite Ökumene und v.a. für die ökumenischen Dialoge mit der Orthodoxie waren Gegenstand einer Podiumsdiskussion mit Bischof Dr. Gerhard Feige (Magdeburg), Bischof Andrej Cilerdžić (Wien) und Regionalbischof Dr. Johann Schneider (Halle). Dr. Evgeny Pilipenko aus Moskau und Prof. Dr. Jennifer Wasmuth aus Straßburg stellten dar, inwieweit diese Entwicklungen für das Verständnis von der Einheit der Kirche innerhalb der orthodoxen Theologie und im weiteren ökumenischen theologischen Nachdenken eine Bedeutung haben. Den Abschluss bildete ein Podiumsgespräch mit zwei orthodoxen Vertretern (Prof. Dr. Athanasius Vletsis, der zum Patriarchat von Konstantinopel gehört und Dr. Anna Briskina-Müller, die der Russischen Orthodoxe Kirche angehört) und jeweils einer römisch-katholischen (Dr. Regina Elsner) und einer evangelischen (Pfrin. Dr. Dagmar Heller) Vertreterin, die Lösungswege zur Überwindung der Krise diskutierten.
Die Tagung wurde von einer erfreulich großen Anzahl an evangelischen, katholischen und orthodoxen Teilnehmern besucht. Vor allem wurde die Komplexität der Situation deutlich, die nur inner-orthodox gelöst werden kann. Gleichzeitig empfanden es die orthodoxen Beteiligten hilfreich, dass befreundete Christen aus der Ökumene sie in dieser schwierigen Lage begleiten und mitdenken. Man blieb aber nicht bei der Beschreibung der Lage stehen, sondern versuchte auch, an verschiedenen Stellen Lösungsansätze aufzuzeigen. Dazu sei aber der grundlegende Wille zur Versöhnung auf allen beteiligten Seiten nötig, der die Bereitschaft einschließt, alte und traditionelle Pfade zu verlassen, sich auf veränderte und neue Umstände einzulassen und nach vorne zu blicken, meinte Dr. Heller.