Mit einem ökumenepolitisch akzentuierten exegetischen Vortrag ist der aktive Dienst von Roland Gebauer, 23 Jahre lang Professor für Neues Testament an der Theologischen Hochschule Reutlingen (THR) der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK), zu Ende gegangen. Am 22. Juli 2021 trug Gebauer in öffentlicher Abschiedsvorlesung seine Interpretation der paulinischen Taufaussagen unter dem Titel „Gerechtigkeit als Christusförmigkeit. Zur Heilsbedeutung der Taufe beim Apostel Paulus“ vor.
Schon in seiner Einleitung verwies Gebauer auf ökumenische Zusammenhänge, in dem er auf die gemeinsame Tagung von Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD) und Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) zum Thema Taufe hinwies, die nach langer Vorbereitung, an der er beteiligt gewesen war, im Februar 2019 wohl nicht zufällig an eben diesem Ort, in der THR stattgefunden hatte. Gebauer, der sich einstens schon in Dissertation und Habilitationsschrift Paulus gewidmet hatte, interpretierte die paulinischen Aussagen insbesondere in Röm 6, aber auch in 1. Kor 12 und 15 und Gal 3 etc. dahingehend, dass zwar nicht die Heilszueignung, aber die Formung der christlichen Existenz in der Taufe geschehe. Gebauer kontrastierte das historisch-kritisch mit der Weiterentwicklung paulinischer Theologie im Kolosserbrief.
In seinen Schlussworten positionierte er die paulinische Tauftheologie explizit in der Mitte zwischen Auffassungen jener Freikirchen, die die Heilsbedeutung allein dem Glauben zusprechen, und der Sichtweise insbesondere der in Deutschland großen Kirchen, die (sakramental) die Taufe für den Ort der Heilsvermittlung halten. Letzteres werde auch in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre ausgesagt; diese ursprünglich von römisch-katholischen und lutherischen Theologen erarbeitete und 1999 aufgrund von Unterzeichnung einer „Gemeinsamen Offiziellen Feststellung“ durch Vertreter des Lutherischen Weltbunds und der Römisch-katholischen Kirche angenommene Erklärung ist etwas später auch vom Weltrat Methodistischer Kirchen ratifiziert worden. Man konnte den Eindruck haben, Gebauer wolle seine Kirche, die einerseits 1926 mit ihren Vorläuferorganisationen zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigung Evangelischer Freikirchen gehörte, andererseits seit 1987 in Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit der EKD steht, theologisch in Anschluss an Paulus in die Mitte dieser Kirchen bzw. Kirchenbünde rücken. Jedenfalls kam Gebauer am Ende auf die Gespräche zwischen VEF und EKD zurück und schloss seinen Vortrag mit den Worten: „Wenn es zu einer breiteren ökumenischen Verständigung und einer Annäherung hinsichtlich der Taufe kommen soll, wie es für den evangelischen Bereich in Deutschland … ja begonnen worden ist, wenn das angestrebt wird, dann könnte die Beobachtung der Mittelposition bei Paulus hilfreich sein, wie ich sie aufzuzeigen versucht habe. Das würde aber für alle Seiten bedeuten, nochmal ganz neu auf Paulus zu hören, und zwar unabhängig, möglichst unabhängig, von allen, und das ist die Schwierigkeit, von allen traditionell mitgebrachten Taufüberzeugungen. Die gemeinsame Mitte könnte dann die Christusförmigkeit des Heils sein, jenes Heils der Rechtfertigung, das im Glauben empfangen wird, aber in der Taufe seine entscheidende Formung, seine Prägung erhält. Dann wäre die Taufe zwar nicht das Sakrament der grundlegenden Heilszueignung, sehr wohl aber das seiner charakteristischen Prägung, ohne die das Heil Gottes nicht das wäre, was es ist, nämlich Leben in der Gemeinschaft mit Gott im Geprägtsein der Existenz vom Gestorbensein mit Christus und neuem Leben in Christus.“
Gebauer diente seiner Hochschule nicht nur als Neutestamentler, sondern seit 2013 auch als Rektor. Er, der innerhalb der EmK zu den Konservativen gehört, hatte 2020 maßgeblich Anteil daran, dass die EmK über Fragen der Sexualethik nicht zerbrach, sondern dass durch Bildung eines konservativen Gemeindebunds innerhalb der EmK Methodist*innen verschiedenster Überzeugungen hinsichtlich der Homosexualität in der Kirche zusammenbleiben können. (Abzuwarten bleibt, ob Entsprechendes der United Methodist Church, deren deutscher Teil [Zentralkonferenz] die EmK ist, in den nächsten Monaten auch gelingen wird.) In seiner Funktion als Rektor wird Prof. Dr. habil. Roland Gebauer am 22. November mit einem Festakt in Reutlingen verabschiedet werden.
Lothar Triebel