Seit dem offenen Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 ist mit den ukrainischen Flüchtenden die Anzahl orthodoxer Christen in Deutschland und vor allem die Zahl orthodoxer Gemeinden deutlich gestiegen. Der ehemalige Generalsekretär der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD), Nikolaj Thon geht davon aus, dass seit dem Frühjahr 2022 „wenigstens 750.000 orthodoxe Christen neu nach Deutschland gekommen sind“ (Orthodoxie aktuell 4/2023, 7). Einige von ihnen schlossen sich den bisher hierzulande bestehenden orthodoxen Gemeinden unterschiedlicher Jurisdiktion an. Ein anderer Teil organisiert sich in neu gegründeten bzw. noch zu gründenden Gemeinden. Damit wird die orthodoxe Landschaft in Deutschland für die evangelischen (und katholischen) Ortsgemeinden, die wegen der Benutzung ihrer Gebäude angefragt werden, einigermaßen unübersichtlich, was zu Unsicherheiten im Umgang mit ihnen führt.

Insgesamt kann man ukrainische Gemeinden in fünf verschiedenen orthodoxen Jurisdiktionen finden, die sich z.T. gegenseitig nicht als ‚kanonisch‘ (rechtmäßig) anerkennen. Im Folgenden soll daher ein Überblick gegeben werden, zu welchen Jurisdiktionen ukrainische Gemeinden und Gläubige sich zugehörig fühlen. Gleichzeitig mag dieser Überblick auch ukrainischen Geflüchteten helfen, eine Gemeinde zu finden.

 

  1. Traditionell gibt es in den Gemeinden der Berliner Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche und der Deutschen Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland (beide gehören zum Moskauer Patriarchat) sowohl ukrainische Priester als auch ukrainische Gemeindeglieder. Viele Geflüchtete aus der Ukraine haben sich solchen Gemeinden angeschlossen. Verzeichnisse aller Gemeinden dieser Jurisdiktionen finden sich unter https://rokmp.de/de/churches/ und https://rocor.de/de/gemeinden.html. Beide Diözesen gehören zur OBKD, lassen aber seit 2018 ihre Mitgliedschaft ruhen aufgrund der Spannungen, die aufgetreten sind im Zusammenhang der Gründung der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) durch den Ökumenischen Patriarchen (Details dazu sind zu finden in den Ökumenischen Lageberichten des Konfessionskundlichen Instituts zu den Jahren 2018 -2022 im ‚Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts). Auch den wenigen Gemeinden der Erzdiözese der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa unter Erzbischof Johannes von Dubna (Sitz in Paris), die zur Jurisdiktion des Moskauer Patriarchats gehören, haben sich ukrainische Gläubige angeschlossen (Informationen unter https://www.orthodoxe-kirche-albstadt.de/aktuelles-aus-dem-erzbistum/).
  2. Außerdem haben sich Geflüchtete auch den ukrainischen Gemeinden angeschlossen, die zum Ökumenischen Patriarchat (Patriarchat von Konstantinopel) gehören, und die seit der Zeit nach dem II. Weltkrieg in Deutschland unter dem Namen „Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche in der Diaspora“ existieren. 1995 wurden sie in die Jurisdiktion des Patriarchats von Konstantinopel aufgenommen und gehören seit 1997 auch zur OBKD. Sie unterstehen dem Metropoliten Antonij von Hierapolis, der seinen Sitz in den USA hat. Seit 2016 werden sie betreut von Erzbischof Daniil (Zelinski) von Pamphilon, der dem Deutschen Dekanat der Ukrainischen Orthodoxen Diözese von Westeuropa vorsteht. Ein Verzeichnis der Gemeinden, die in diese Kategorie gehören findet sich unter https://www.uokd.de/gemeinden.
  3. Dieser Jurisdiktion müssten – theoretisch – auch Gemeinden angehören, die von der 2018 neu gebildeten Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) in Deutschland gegründet werden. Aber entgegen den Bestimmungen im Tomos (Urkunde, mit der die Selbständigkeit verliehen wurde) gibt es inzwischen eigenständige Gemeinden der OKU, deren jurisdiktionelle Situation ungeklärt ist. Eine verlässliche Liste dieser Gemeinden ist bisher nicht vorhanden.
  4. Inzwischen hat auch die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) begonnen, eigene Gemeinden in Deutschland zu gründen. Diese Kirche war ursprünglich die orthodoxe Mehrheitskirche in der Ukraine und von 1990 bis 2018 eine der in dieser Zeit existierenden drei orthodoxen Kirchen. Sie gehörte zur Jurisdiktion des Moskauer Patriarchats, positionierte sich jedoch sofort bei Beginn des Krieges gegen die Auffassung von Patriarch Kyrill und dessen Legitimation der Kampfhandlungen als „metaphysischen Kampf“ gegen den Westen. Im Mai 2022 änderte sie daher ihre Verfassung und sagte sich vom Moskauer Patriarchat los, ohne allerdings von Autokephalie (Unabhängigkeit) zu sprechen. Folgerichtig unternimmt sie nun die eigenständige Gründung von Gemeinden im Ausland, die direkt ihrem Oberhaupt, Metropolit Onufrij in Kiew unterstehen und von Bischof Benjamin (Vološčuk) von Bojarka betreut werden. Diese Gemeinden haben keine Beziehung zur OBKD, da sie in der Auffassung des Moskauer Patriarchats nicht Metropolit Onufrij direkt unterstehen können und andererseits das Patriarchat von Konstantinopel nur die von ihm gegründete OKU als autokephal anerkennt. Da es bislang keine Zusammenstellung dieser Gemeinden gibt, stellen wir hier eine (unvollständige) Liste zur Verfügung (die nach Möglichkeit ergänzt wird).
  5. Zu nennen ist schließlich auch noch die einzige Gemeinde, die zum sogenannten Kiewer Patriarchat gehört (https://www.ukrainian-church.de/). Diese Kirche existierte seit 1992 in der Ukraine und ging dann 2018 in der neu gegründeten OKU auf. 2019 spaltete sich eine kleine Gruppe unter Patriarch Filaret (Denysenko) allerdings wieder davon ab und ließ dieses Patriarchat wieder aufleben. Diese Kirche wird jedoch von keiner der anderen orthodoxen Ortskirchen anerkannt.

Dagmar Heller

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