Zum zweiten Mal organisierte das Orthodoxiereferat des Konfessionskundlichen Instituts in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Karl Pinggéra von der Universität Marburg und der Evangelischen Akademie Hofgeismar eine online-Tagung. Thema dieser Veranstaltung am 2. Juli 2021 war die Frage nach Verständnis und Praxis von Mission in der Orthodoxie.

Die Orthodoxiereferentin des KI, Dr. Dagmar Heller, die die Veranstaltung moderierte, machte in ihren einleitenden  Bemerkungen deutlich, dass sich die Beschäftigung mit der orthodoxen Auffassung von Mission lohne, weil zum einen das Vorurteil besteht, die orthodoxe Kirche kenne Mission überhaupt nicht und zum anderen aber vor allem deshalb, weil orthodoxe Mission im allgemeinen nicht mit dem Kolonialismus verbunden war und einen grundsätzlich anderen Ansatz hat als er im protestantischen Bereich zu finden ist.

Prof. Pinggéra gab zunächst eine kurze Einführung in die Geschichte der Mission im orthodoxen Bereich und hob vor allem die Rolle von Erzbischof Anastasios (Yannoulatos) von Albanien hervor, der vor allem im 20. Jahrhundert durch seine Tätigkeit in Afrika und später in Albanien die orthodoxe Mission neu belebt hat. Durch seine Publikationstätigkeit hat der die missionstheologische Debatte innerhalb der Orthodoxie angestoßen, aber auch die ökumenische Debatte zu diesem Thema bereichert.

Den Hauptvortrag hielt Prof. Dr. Cristian Sonea, Missionstheologe an der Fakultät für Orthodoxe Theologie an der Babeș-Bolyai Universität in Cluj-Napoca (Klausenburg) in Rumänien. Er stellte die Mission in den Zusammenhang der orthodoxen Lehre von der Theosis (Vergöttlichung), wonach es im menschlichen Leben darum geht, zur Einheit mit Gott zu gelangen. Ausgangspunkt der Mission ist daher die Göttliche Liturgie, d.h. die Eucharistiefeier. Missionarische Aktivität gehört somit zur Aufgabe jeder Ortsgemeinde. Außerdem hob Sonea hervor, dass es grundlegend wichtig sei, zu verstehen und zu akzeptieren, dass sich die Welt ständig verändert. Daher müsse Mission eine eschatologische Perspektive im Sinne einer ‚prophetischen Eschatologie‘ mit einbeziehen.

Aus der lebendigen missionarischen Praxis wurden diese Überlegungen ergänzt von Dr. John Ngige Njoroge aus Kenia, orthodoxe Priester und Leiter der theologischen Abteilung der Methodistischen Universität von Kenia.  Er setzte den Schwerpunkt auf seiner eigenen Kirche, der Afrikanischen Orthodoxen Kirche. Diese stellt in ihrer Entstehung einen Sonderfall dar, da sie nicht aus geplanten missionarischen Aktivitäten heraus entstanden ist, sondern aus einer Oppositionsbewegung gegen die gängige, mit der Kolonialisierung einhergehende Mission: Eine Gruppe afrikanischer Anglikaner fand in der Orthodoxie eine Spiritualität, die ihnen entsprach und trieb die Integration in die Orthodoxe Kirche voran. An dieser Stelle spielten orthodoxe missionarisch tätige Priester eine Rolle, die die Übersetzung der Heiligen Schrift vorantrieben und afrikanische Kultur und afrikanische Identität respektierten und zu integrieren verstanden. Diese beiden Prinzipien, ergänzt durch theologische Ausbildung, Diakonische Arbeit und liturgisches Leben stellte Njoroge als Grundlagen für ein orthodoxes Missionsmodell in Afrika vor.

Schließlich gab Dr. Maxim Sorokin von der Universität Bamberg gab einen historischen Überblick über die Mission der Russischen Orthodoxen Kirche.

An die einzelnen Vorträge schloss sich jeweils eine lebendige Diskussion an, die davon zeugte, dass die eingangs genannten Gründe für die Beschäftigung mit dem Thema richtig eingeschätzt worden waren.