Im Herbst 2018 hat die Russische Orthodoxe Kirche die kirchliche Gemeinschaft mit dem Patriarchat von Konstantinopel abgebrochen. Obwohl dies nicht zum ersten Mal in der Geschichte passiert, wird der Konflikt diesmal von vielen Stimmen als länger andauernd vorausgesagt und von einigen in seiner Tiefe mit dem großen Schisma zwischen Ost und West von 1054 verglichen. Auslöser ist die Gründung einer neuen orthodoxen Kirche in der Ukraine, die aufgrund einer Petition des ukrainischen Parlaments an den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel im Januar diesen Jahres von ebendiesem Patriarchen die Autokephalie (Selbständigkeit) verliehen bekam.
Wie wird sich die dadurch entstandene Situation weiter entwickeln? Diese Frage versuchte die Orthodoxiereferentin des Konfessionskundlichen Instituts, Dr. Dagmar Heller, dem Arbeitskreis für interkonfessionelle Fragen der EKHN auf seiner Sitzung am 22. Februar 2019 zu beantworten. Sie stellte die Abfolge der Ereignisse, die zur Gründung einer neuen orthodoxen Kirche in der Ukraine führten, dar und untersuchte die komplexen Hintergründe, die die verschiedenen beteiligten Akteure bei ihren jeweiligen Handlungen leiteten. Ob es wirklich zu einem Schisma vom Ausmaß der Trennung zwischen Ost- und Westkirche kommen wird, ist nach Meinung von Frau Dr. Heller derzeit noch offen. Die Gefahr allerdings ist vorhanden.
Vieles wird in der nächsten Zeit davon abhängen, wie sich die anderen orthodoxen Kirchen zu der neu gegründeten ukrainischen Kirche verhalten werden. Bisher ist deutlich geworden, dass diese offensichtlich die Gemeinschaft weder mit Moskau noch mit Konstantinopel abbrechen wollen, sondern darum besorgt sind, die orthodoxe Einheit zu retten. Ohne eine pan-orthodoxe Versammlung dürfte das aber auf lange Sicht so nicht durchzuhalten sein. Da eine Spaltung innerhalb der Orthodoxie auch Auswirkungen auf die Ökumene sowohl auf der internationalen wie auf der regionalen und nationalen Ebene hat, kann man von evangelischer Seite nur hoffen und beten, dass sich die Fronten nicht verhärten, sondern in christlichem, brüderlichen und schwesterlichen Geist nach Lösungen gesucht wird.