In diesem Jahr werden auch an Weihnachten noch (oder wieder) geflüchtete Menschen aus der Ukraine bei uns in Deutschland sein. Um sie zu begleiten und mit ihnen zu feiern, ist es hilfreich, ihnen Vertrautes anzubieten. Dazu sollen im Folgenden Anregungen gegeben werden.   

Wir stellen auch wieder Grußkarten zu Weihnachten zur Verfügung (hier Vorderseite und hier Rückseite). Außerdem finden Sie eine gestaltbare Karte hier.

 

 

 

  1. Der religiöse Hintergrund ukrainischer Flüchtlinge

Die religiöse Landschaft in der Ukraine

Die religiöse Landschaft in der Ukraine ist vielfältig, weist aber in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse auf. Die größten Kirchen sind zwei orthodoxe Kirchen (die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats, UOK und die Orthodoxe Kirche der Ukraine, OKU) sowie die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche. Daneben gibt es als kleine Kirchen die Ruthenische griechisch-katholische Kirche und die römisch-katholische Kirche. Unter den – ebenfalls sehr kleinen – protestantischen Kirche sind die Baptisten und die Pfingstbewegung die größten. Außerdem gibt es die deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche der Ukraine und die Reformierte Kirche in Transkarpatien sowie einige mennonitische Gemeinden.

Etwa 2% der Bevölkerung gehören dem Islam an, 0,6% dem Judentum.

Dabei ist zu beachten, dass – grob gesprochen – im Osten der Ukraine die UOK die Mehrheit darstellt, während die OKU stärker im Westen vertreten ist, wo auch die Ukrainische Griechisch-katholische Kirche ihr hauptsächliches Verbreitungsgebiet hat. Muslime gibt es vor allem auf der Krim.

Die Hauptstadt Kiew ist religiös plural, die mehrheitlich orthodoxe Bevölkerung ist jedoch nicht in Mehrheit oder Minderheit aufzuteilen.

 

Die orthodoxen Kirchen in der Ukraine

Im Hinblick auf die orthodoxe Mehrheit der Gesamt-Bevölkerung ist folgendes zu beachten: Generell werden in der Ukraine die Kirchen stärker besucht als in Russland. Etwa 80% der Bevölkerung bekennt sich – laut Umfrage – als „orthodox“, davon ordnet sich aber wiederum eine Mehrheit keiner der beiden orthodoxen Kirchen zu.

Zu den beiden orthodoxen Kirchen ist folgender Hintergrund wissenswert: Die UOK gehört jurisdiktionsmäßig zum Patriarchat von Moskau, also zur Russischen Orthodoxen Kirche, hat aber seit 1990 innerhalb dieser Kirche den Status der ‚Autonomie‘ und ist damit weitgehend selbständig. Im Mai 2022 hat sie ihre vollständige Selbständigkeit von Moskau erklärt und agiert seither wie eine autokephale (also eigenständige) Kirche, ohne jedoch im kirchenrechtlichen Sinne die Autokephalie[1] erklärt zu haben oder als autokephale Kirche von den anderen orthodoxen Kirchen anerkannt zu sein.  Die OKU ist im Jahr 2018 entstanden aus dem Zusammenschluss zweier vom Moskauer Patriarchat abgespaltener Kirchen, die bis dahin in der Weltorthodoxie nicht anerkannt waren. Sie ist seither vor allem von den griechisch-sprachigen orthodoxen Kirchen anerkannt worden und hat vom Patriarchat von Konstantinopel die Autokephalie zugesprochen bekommen, was zu einer Spaltung zwischen dem Moskauer Patriarchat und diesen Kirchen geführt hat.

 

Die Religiosität ukrainischer Geflüchteter

Damit kann man davon ausgehen, dass eine Mehrzahl von ukrainischen Geflüchteten in Deutschland orthodox ist, aber sich nicht unbedingt einer dieser beiden Kirchen zugehörig fühlt. Es ist damit zu rechnen, dass es den durchschnittlichen Gläubigen darum geht, orthodoxe Gottesdienste zu besuchen, wobei ihnen die kirchliche Jurisdiktion unwichtig ist.

 

2. Weihnachten in der orthodoxen Tradition

In der ukrainischen orthodoxen Tradition wird der Tag des Weihnachtsfestes nach dem Julianischen Kalender bestimmt. Damit fällt das Fest nach dem in Deutschland gültigen  gregorianischen Kalender auf den 7. Januar. Die griechisch-katholischen Kirchen feiern Weihnachten nach dem gregorianischen Kalender am 25. Dezember. Vom ukrainischen Staat wurden daher vor einigen Jahren sowohl der 25. Dezember als auch der 7. Januar als Feiertage bestimmt.

Generell hat in der Orthodoxie Weihnachten nicht denselben Stellenwert wie  Ostern, ist aber eines der Hochfeste im Jahreszyklus. Daher geht dem Fest eine 40tägige Fastenzeit voraus, während der auf tierische Produkte verzichtet wird. Im Zentrum der Weihnachtsfeier steht die nächtliche Feier der Geburt Christi mit einer festlichen Göttlichen Liturgie[2].  In einer orthodoxen Liturgie wird das Thema des gefeierten Festes jeweils in den Gesängen deutlich. Hier finden Sie das Weihnachtstroparion aus der kirchenslawischen Liturgie.

 

In die Weihnachtszeit fällt in der Ukraine auch noch das Fest des „alten Neuen Jahres“, das eine Woche nach Weihnachten, also am 14. Januar gefeiert wird. Dies hängt damit zusammen, dass Neujahr bis zum Jahr 1918 im Russischen Reich nach dem julianischen Kalender gefeiert wurde. Der Vorabend, also der julianische 31. Dezember wird oft als „Zweiter Heiliger Abend“ oder als „freigiebiger Abend“ gefeiert. Dieser Tag ist gleichzeitig das Fest der Taufe Jesu im Jordan, mit dem die weihnachtlichen Feiern abgeschlossen werden. Kirchlich wird dieser Feiertag mit einer Wassersegnung begangen.

 

3. Populäre Weihnachtsbräuche

Wie im Westen so ist Weihnachten auch in der Ukraine mit verschiedenen Bräuchen verbunden. Das Fest wird als Familienfest gefeiert, bei dem die gesamte Verwandtschaft zusammenkommt und auch die verstorbenen Familienmitglieder mit bedacht werden.

Viele Bräuche und spezielle Speisen sind regional verschieden. In der Westukraine beispielsweise  wird am 6. Januar (keinesfalls vorher) ein Tannenbaum aufgestellt und eine Weizengarbe ( genannt ‚Diduch‘) in einer Ecke aufgestellt.

Weit verbreitet ist auch die Tradition, am Heiligen Abend eine süße Getreidespeise (genannt: Kutja) zu essen, die sehr beliebt ist. Sie besteht geschälten und gekochten Weizenkörnern, Honig, gehackten Nüssen, gemahlenem oder zerriebenem Mohn und Rosinen.

Für die ganze Ukraine ist schließlich das Singen von Weihnachtsliedern (Kolyadki) typisch. Dabei ziehen auf dem Land Gruppen von Jugendlichen von Haus zu Haus und singen die traditionellen Lieder (Ein Beispiel – gesungen von einem Mönchschor in Sviatigorsk 2017: https://www.youtube.com/watch?v=6RQALbLHm8k). Ursprünglich sind die Texte dieser Lieder auf Ukrainisch und daher allgemein in dieser Sprache bekannt.

Hier sind einige Texte und Melodien der bekanntesten Kolyadki:

  1. Dobriy Vechir Tobi (Guten Abend für dich), https://parafia.org.ua/wp-content/uploads/2011/12/DobryyVechirTobi_Stetsenko_20200112_162659.pdf
  2. Nova Radist’ Stala (Neue Freude ist gekommen);
  3. Nebo i Zemlia (Himmel und Erde);
  4. Po vs’omu svitu stala novyna (Die Nachricht hat sich über die Welt verbreitet);
  5. Na Nebi Zirka (Ein Stern am Himmel).

 

[1] Autokephalie ist in der Orthodoxie die vollkommene Eigenständigkeit einer Kirche, die sich vor allem darin zeigt, dass das kirchliche Oberhaupt selbst gewählt und bestimmt wird und nicht von einer Mutterkirche bestätigt werden muss.

[2] Die „Göttliche Liturgie“ (oder auch nur „Liturgie“) bezeichnet den Abendmahlsgottesdienst in der orthodoxen Tradition und steht im Zentrum des kirchlichen Lebens.

Ansprechpartnerin

Pfrin. Dr. Dagmar Heller
Wissenschaftliche Referentin für Orthodoxie und Leitung

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