Konfessionskunde ist in der universitären Lehre keine eigene Fachdisziplin und spielt eher eine marginale Rolle. Gleichzeitig kommen gleich mehrere theologische Disziplinen nicht ganz ohne sie aus, so dass konfessionskundliche Fragen sowohl in der systematischen Theologie als auch in der Kirchengeschichte wie auch der Praktischen Theologie verhandelt werden. Dieser Befund ist Teil einer tiefergehenden Unklarheit über die Zwecke und Ziele der Disziplin selbst. Deswegen trafen sich im Paderborner Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik 24 im Feld der Konfessionskunde Tätige mit evangelischem, katholischem, orthodoxem und freikirchlichem Hintergrund, um sich über die Inhalte und die Zukunft ihrer Disziplin auszutauschen. Jennifer Wasmuth (ev.-luth., Professorin für Ökumenische Theologie, Universität Göttingen) sprach über „Einordnung und Grenzen“, Markus Iff (FeG, Professor für Systematische Theologie und Ökumenik, Theologische Hochschule Ewersbach) über „Begriff und Bedeutung der Konfessionskunde“. Abschließende Überlegungen zur „Methodik der Konfessionskunde“ trugen die Leitungen der veranstaltenden Institute, Dagmar Heller (ev.) vom KI Bensheim und Johannes Oeldemann (r.-k.) vom Möhler-Institut vor. Jedem Referat wurden zwei oder drei kurze Ko-Referate an die Seite gestellt, um die Perspektiven zu erweitern.
Kontrovers diskutiert wurde z.B., ob Konfessionskunde als Wissenserhebung und -vermittlung eigenständig bestehen könne oder ob sie im Dienste der ökumenischen Verständigung, des interkonfessionellen (Lehr-)gesprächs stehen solle. Würde es der Wissenschaftlichkeit der Konfessionskunde gerecht, wenn man sie als eine Art Dienstleistung oder Vorarbeit für das ökumenische Gespräch verstünde? Oder umgekehrt: Betriebe man womöglich ein die Neugier befriedigendes, aber letztlich zweckfreies „l’art pour l’art“, wenn man es beim möglichst genauen Beschreiben der Konfessionen beließe, ohne sofort die Frage nach den ökumenischen Implikationen zu stellen?
Und überhaupt: Was beschreibt die Konfessionskunde eigentlich? Diese Frage nach dem Gegenstand hängt unmittelbar mit der nach den Methoden zusammen. Sollte Konfessionskunde die offiziellen Lehren einer Kirche beschreiben? Dann wären Lehrtexte, Bekenntnisschriften usw. auszuwerten und zu vergleichen. Der Vorteil: man hat eine relativ klare Grundlage für die Forschung. Dagegen wäre aber einzuwenden, dass viele dieser offiziellen Lehren nur von einer kleinen Minderheit der Gläubigen einer Kirche geglaubt werden. Wäre es da nicht sinnvoller, die reale religiöse Vorstellungswelt der Gläubigen zu Grunde zu legen und Konfessionskunde stärker religionssoziologisch zu grundieren? Freilich wäre der nötige Forschungsaufwand kaum praktisch zu leisten. Es ließe auch die Frage unbeantwortet, welche regionale Ausprägung man als typisch für eine Konfession nehmen solle (für die RKK etwa: Tschenstochau oder Synodaler Weg?)
Hinzu kommt, dass konfessionelle Identitäten heute gerade im deutschsprachigen Bereich, dem (darauf wiesen internationale Teilnehmer des Fachgesprächs hin) hauptsächlichen Habitat der akademischen Disziplin Konfessionskunde, oft nur noch rudimentär vorhanden sind. Prägende Unterschiede im Glauben kristallisieren sich heute kaum noch an den klassischen konfessionellen Lehrunterschieden, sondern verlaufen quer durch die Konfessionen und betreffen v.a. ethische Topoi (Sexualitäts- und Friedensethik).
Fraglich ist sogar der Begriff „Konfession“ selbst, den einige Kirchen als Bezeichnung für sich selbst ablehnen. Auch für viele der jüngeren über- oder „postkonfessionellen“ christlichen Bewegungen und Netzwerke ist er nicht recht passend. Als Alternative wurde mit Begriffen wie „Christentumswissenschaft“ oder „komparative Ekklesiologie“ jongliert (mancherorts in der orthodoxen Welt fällt Konfessionskunde gar unter „Sektologie“).
Breite Zustimmung fand, dass eine neue Publikation zur Konfessionskunde wünschenswert wäre. Aber auch hier standen sogleich neue Fragen im Raum: Sollte es sich um ein ökumenisches Gemeinschaftsprojekt handeln oder wäre ein Werk aus einer Hand methodisch besser (und auch realisierbar)? Ist die Perspektivität von Selbstdarstellungen vorzuziehen (Authentizität) oder gewinnt Konfessionskunde gerade durch den Blick „von außen“ ihren Wert?
Erwartungsgemäß konnte die Tagung kaum mit abschließenden Antworten aufwarten. Sie hat aber viele der zentralen Fragen zur Zukunft der Disziplin präzisiert. Deutlich wurde allerdings, dass Konfessionskunde in nächster Zukunft vor allem im religionspädagogischen Zusammenhang wichtig werden wird, wenn Religionsunterricht konfessionsübergreifend durchgeführt wird und Lehrer auch Kenntnisse über andere Konfessionen vermitteln sollen. Einig war man sich auch, dass Konfessionskunde heute nur ökumenisch und interdisziplinär unternommen werden kann.
Alle Tagungsvorträge werden in Heft 4/2023 des MDKI veröffentlicht werden.
Kai Funkschmidt