Obwohl evangelische wie katholische Christen gemeinsam im Glaubensbekenntnis die „Gemeinschaft der Heiligen“ bekennen, gehört die praktische Ausgestaltung dieses Glaubensartikels zu den Unterscheidungsmerkmalen. Beide meinen mit „Gemeinschaft der Heiligen“ die Gemeinschaft derjenigen, die Gott bereits in seine Gemeinschaft aufgenommen hat und die lebende wie verstorbene Christen umfasst. Im Unterschied zu evangelischen Christen betonen aber die katholischen Christen stärker das enge Miteinander von himmlischer und irdischer Kirche. Die Praxis der Marien- und Heiligenverehrung unterscheidet markant die evangelischen und katholischen Christen, denn die katholische Volksfrömmigkeit wird durch die Marien- und Heiligenverehrung auf vielfache Weise bestimmt. Dabei handelt es sich um Heiligenfeste, Wallfahrten, Patronatsfeste einzelner Kirchen u.v.m.

Meistens begann der Kult um einen Verstorbenen mit der Verehrung durch das Volk aufgrund eines Wunders, das auf Fürsprache einer oder eines Heiligen nach dem Tod von Gott gewirkt wurde. Von Rom aus erfolgte 993 n.Chr. als erste gesamtkirchliche Heiligsprechung die des Ulrich von Augsburg. Da die Bischöfe weiterhin auch lokalen Kult approbierten, entstand die Unterscheidung zwischen „Seligen“, deren Verehrung für eine Ortskirche gestattet wird, und „Heiligen“, die für die gesamte Kirche zur Ehre der Altäre erhoben wurden. Die Unterscheidung betrifft also nicht den „Heiligkeitsgrad“. Die Heiligsprechung folgt den gleichen Regeln wie die Seligsprechung. Sie setzt ein weiteres nach der Seligsprechung gewirktes Wunder voraus.

Dieses Wunder ist bei den sogenannten Märtyrern nicht notwendig, da sie ein Bekenntnis ihres Glaubens bis zum Tod ablegen, welches als das höchste Bekenntnis des Glaubens gilt. Als Märtyrer bezeichnet man einen Menschen, der wegen seines Glaubens umgebracht wird oder dessen Festhalten am christlichen Glauben ihm den Tod brachte. Ein Märtyrer erleidet ein Martyrium. Wenn jedoch ein Christ nicht einem persönlichen Verfolger gegenübersteht oder nicht persönlich zum Tode verurteilt wurde, sondern gegen ein totalitäres System die gottgegebene Würde des Menschen bekräftigt und für Christus und die Liebe Zeugnis ablegt, gilt er ebenfalls als Märtyrer. So wurden in jüngster Zeit einige Persönlichkeiten, die in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten bewusst als Christen starben, nicht nur als Bekenner, sondern auch als Märtyrer seliggesprochen.

Eine zweite Art von Heiligen sind die „Bekenner“, bei denen im Heiligsprechungsverfahren geprüft wird, ob sie die göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sowie die vier Kardinaltugenden in heroischem Maß besessen haben. Die Erhebungen für ein Selig- oder Heiligsprechungsverfahren beginnen oft in einer Diözese und werden dann in der vatikanischen Kongregation für die Heiligsprechung fortgesetzt. Die scherzhafte Bezeichnung „advocatus diaboli“ („Anwalt des Teufels“) gilt dem „Promotor fidei“, dem Glaubensanwalt, der während des Verfahrens mögliche Argumente gegen die Heiligsprechung sucht, um Irrtümer auszuschließen.

Es liegt allein im Ermessen des Papstes, ob er dem Urteil der Kongregation für die Heiligsprechung zustimmt; er kann auch ablehnen. Deshalb gehört zur Liturgie der Heiligsprechung, dass ein „Postulator“ vom Papst die Selig- bzw. Heiligsprechung erbittet. Die Kanonisierung wird auch vom Jüngsten Gericht nicht mehr revidiert; die Kirche handelt „kraft stellvertretender göttlicher Gewalt“. Theologisch ist Heiligenverehrung Ausdruck des katholischen Inkarnations- und Kirchenverständnisses, Die Kirche will mit den Heiligen nicht einfach Vorbilder für andere zeigen, sondern erkennt in ihnen „die Verwirklichung der konkreten Heilszusage Christi an seine Kirche“. Jede Heiligsprechung ist eschatologische „Selbsterkenntnis der Kirche“ (W. Schulz¸ Art. Heiligsprechung, LThK3, Bd. 4, 1995, 1330.)

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