„Auferstehungstag! Lasset uns Licht werden, ihr Völker, denn vom Tode zum Leben

und von der Erde zum Himmel hat Christus, unser Gott, uns hindurchgeführt, die wir das Siegeslied singen“, heißt es in einem Hymnus zum Fest der Auferstehung Christi von den Toten im orthodoxen Morgengottesdienst des „Festes der Feste“, wie es gern genannt wird und an dem immer und immer wieder der österliche Festgesang erklingt: Christus ist auferstanden von den Toten, hat den Tod durch den Tod zertreten und denen in den Gräbern das Leben geschenkt“.

Da die Auferstehung das Zentrum des orthodoxen christlichen Glaubens ist, ist auch Pas’cha, wie Ostern in der Orthodoxen Kirche heißt, das höchste Fest des Kirchenjahres, das entsprechend im Jahreskreis eingerahmt ist.

So gehen ihm volle zwölf Wochen der Vorbereitung voraus. Diese besteht aus den Sonntagen der Vorfastenzeit, der eigentlichen 40-tägigen Großen Fastenzeit und dann der Leidens- (Kar-)woche.

Schon die letzten der Vorfastensonntage sagen durch ihre Namen aus, was nun folgt: Sonntag des Fleisch- und Sonntag des Käseverzichtes, d.h. man verzichtet nun auf Fleisch und Milchprodukte und eigentlich auch auf Fisch. Zwar halten nicht alle Gläubigen die somit im Wesentlichen veganen Fastenregeln die ganze Zeit hindurch streng ein, aber für alle gilt, die Fastenwochen als eine Zeit der geistlichen Erneuerung und Umkehr zu nutzen – durch Nächstenliebe, Vergebung, Versöhnung, Gebet, Almosen und spirituelle Lektüre. So erfolgt auch in den Gottesdiensten der Großen Fastenzeit die kontinuierliche und vollständige Lesung dreier alttestamentlicher Bücher: Genesis, Prophet Jesaja und Sprüche Salomos.

Wenn das Fest schließlich ansteht, wird es mit einer Reihe von besonderen Gottesdiensten begangen. So werden beispielsweise am Donnerstagabend der Leidenswoche zwölf Abschnitte aus den Evangelien geleisen, die den Weg des Herrn vom Abschied von seinen Jüngern im Abendmahlssaal über die Kreuzigung bis hin zur Grablegung wiedergeben. Am Freitagnachmittag folgt dann die bildhafte  Bestattung des verstorbenen Herrn, der auf einer Stoffikone bildhaft gegenwärtig ist, in einer symbolischen Grabstätte inmitten der  Kirche; am Abend wird dann vor diesem Grab der 118. Psalm mit eingeschobenen Klageversen gesungen.

Am Karsamstagmorgen ist schon die Vorahnung der Auferstehung zu spüren, wenn 15 Lesungen aus dem Alten Testament erklingen, die als prophetische Hinweise auf die Überwindung des Todes durch die leibliche Auferstehung des Herrn und Heilandes verstanden werden, der – wie es die Osterikone zeigt – die Pforten des Hades zerbrochen hat.

In der Osternacht erklingen dann erstmals nach einer dreimalgen Prozession um die Kirche die Worte des österlichen Grußes „Christus ist auferstanden! (slav. „Christos voskrese!)“ und die Antwort: „Wahrhaft auferstanden!“ („Voistinu voskrese!“), wie sich orthodoxe Christen nun bis zum Himmelfahrtstag begrüßen. Die Evangelienlesung der Liturgie des Tages, der Prolog des Johannes-Evangeliums, macht deutlich, dass eine neue Epoche für die Schöpfung angebrochen ist, „denn das Gesetz wurde durch Moses gegeben, die Wahrheit aber ist durch Jesus Christus gekommen“.

Die Osterfreude drückt sich auch in einer Reihe von traditionellen Speisen aus, die je nach Region zwar verschieden sein können, aber alle ein Festmahl, so z.B. der Osterkuchen „Kulitsch“, der aus Hefe, Zucker, Eiern und Mehl gebacken wird, oder eine sogar „Pas’cha“ genannte süße Quarkspeise. Was vor allem für Kinder nicht fehlen darf, sind natürlich die (zumeist rot) gefärbten Eier wie ihr Aneinanderschlagen.

Das Datum des orthodoxen Osterfestes unterscheidet sich meist (um eine, vier oder fünf Wochen) von dem der westlichen Christenheit; zwar folgen beide der Regelung des Konzils von Nikaia (325), dass die Auferstehung des Erlösers immer am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert werden soll, aber während der Westen dem gregorianischen Kalender folgt, benutzt die Orthodoxie den julianischen, d.h.  der Frühling fängt erst 13 Tage später an. Daher ist beispielsweise 2022 das orthodoxe Ostern eine Woche später als das westliche, nämlich am 24. April.

Doch wann auch immer: Gerade in schwierigen Zeiten gilt besonders, wozu ein Hymnus, der in vielen orthodoxen Gottesdiensten in der ganzen Osterzeit immer wieder gesungen wird, uns aufruft: „Lasset uns licht werden an diesem Feste, lasset uns einander umarmen, lasset uns ‘Brüder’ sagen auch denen, die uns hassen, laßt uns alles vergeben ob der Auferstehung und rufen: Christus ist auferstanden von den Toten!“

 

Ipodiakon Nikolaj Thon

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