Das Kollegium des Konfessionskundlichen Instituts wünscht den Gläubigen aller konfessionellen Traditionen ein gesegnetes Weihnachtsfest! Dieser Wunsch gilt auch denen, die die Geburt Christi am 6. oder am 7. Januar feiern.

Wir freuen uns auf weitere gute Zusammenarbeit im neuen Jahr mit unseren Partnerinstituten und mit den Brüdern und Schwestern aus den katholischen, orthodoxen, anglikanischen und den verschiedenen Freikirchen in Deutschland und weltweit.

Als Gruß veröffentlichen wir hier eine Meditation des Präsidenten des Evangelischen Bundes Dr. h.c. Christian Schad.

Dagmar Heller

 

Zu Bethlehem geboren

O Bethlehem, du kleine Stadt, wie stille liegst du hier“ (Ev. Gesangbuch 55, 1).
Ja, still ist es in Bethlehem geworden, still und eng und dunkel: seit dem 7.Oktober, als die Terroristen der Hamas Israel überfallen, Menschen hingerichtet und als Geiseln verschleppt haben.

Bethlehem, diese kleine Stadt, nur acht Kilometer südlich von Jerusalem im Westjordanland gelegen, gehört heute zu den palästinensischen Autonomiegebieten – von Israel durch Mauer und Stacheldraht getrennt. Die Auswirkungen des Krieges, sie sind auch in Bethlehem spürbar: Am Tag und in der Nacht erleuchten Raketen den Himmel. „Meine Kinder“, sagt ein christlicher Familienvater „meine Kinder wollen nicht mehr von meiner Seite weichen; wir sind müde, wollen Frieden, nur Frieden für unsre Kinder und Familien.“

Besonders durch die Grenzschließungen können viele Menschen, die in Bethlehem wohnen, ihren Arbeitsplatz aber in Jerusalem haben, diesen nicht mehr erreichen – und verlieren so ihr Einkommen.
Die kleine Stadt ist abgeschnitten und isoliert. Viele der ausländischen Pilger werden in diesem Jahr an Weihnachten fernbleiben.
Und als Zeichen der Trauer wird auf Weihnachtsschmuck auf den Straßen und Plätzen verzichtet.

Es ist zum Verzweifeln!
Dabei ist das Grundanliegen beider Seiten doch absolut berechtigt. Natürlich darf das Existenzrecht Israels nicht in Frage gestellt werden: „Der Staat Israel ist unsere Lebensversicherung“, sagen Jüdinnen und Juden in aller Welt angesichts der menschenverachtenden, antisemitischen Ideologen, die das Lebensrecht Israels verneinen.
Und ebenso natürlich haben die Palästinenser ein Recht darauf, in ihrem Land leben zu dürfen mit gleichen Rechten für alle.
Und wäre nicht dies: gerade die Rechte der Bevölkerung im Gaza-Streifen und im Westjordanland zu achten und zu schützen, die größte Sicherheit für Israel?

Aber wie dahin kommen? – Wenn die Gewalt immer härter wird, schließt sich die Tür zu einem gerechten Frieden immer mehr. Jetzt – jetzt mehr denn je – ist darum die Zeit zum Innehalten, zum Hören auf das biblische Wort für das Heilige Land im Allgemeinen – und für Bethlehem im Besonderen:
Du Bethlehem, Ephrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll kommen, der in Israel Herr sei… und sicher wirst du wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde.
Und er wird der Friede sein.“
So die Verheißung des Propheten Micha (5, 1-4).

Gott hat ganz offenbar eine Leidenschaft fürs Kleine und Abseitige. Der, dessen Worte eine ganze Welt schufen, ein ganzes Universum, als Chaos war und Dunkelheit und sonst nichts, der spricht zu Bethlehem – und legt sich auf diesen kleinen Ort fest:
Hier wird Großes geschehen, etwas Weltumspannendes soll hier seinen Anfang nehmen. Da, wo man nur von Tag zu Tag plant, wo nicht sicher ist, was als Nächstes kommt und das Leben eng ist, da hinein zwängt sich Gott – und wird Mensch in einem Krippenkind.

So ist damals Weihnachten geworden. Das ist der Trost der ganzen Welt: dass Gott da sein will, wo es dunkel ist, wo sonst niemand sein möchte. Gott sucht uns Menschen. Und er findet die, die im Heiligen Land seit Jahrzehnten im Streit liegen. Auch die, die vor Zäunen stehen und nicht weiterkommen – in die Enge gedrängt in den Wäldern vor unseren Grenzen; die nicht mehr haben als eine Zeltplane, die nicht nur nicht sicher, sondern überhaupt nicht wohnen, auch denen will er zum Frieden werden. Und: Er findet uns mit unsren Fragen und unserer Angst, wenn ein ums andere Mal `was gescheitert ist, abgesagt, verschoben wurde, woran du gearbeitet hast, und was so gut, wie feststand. Oder: wenn vom einen auf den anderen Tag alles anders geworden ist, weil eine schwere Diagnose mich traf und mich völlig aus der Lebensbahn schleuderte.

In die ganze Ungesichertheit unseres Lebens und in die Dunkelheit der Welt kommt Gott und verheißt:
„ALLE werden sicher wohnen… und ER wird der Friede sein.“

Was einst Bethlehem hörte, hört heute der ganz Erdkreis. Dort, wo du immer auf der Hut sein musst – und wo das Recht des Stärkeren gilt, und du aufpasst, dass du nicht zu kurz kommst oder abgehängt wirst; dort, wo dir die Zeit wegläuft und du die Chancen liegen lässt: Dort sagt dir das Kind in der Krippe, der Gott, der da mit dem Antlitz eines Menschen liegt, dir zum Verwechseln ähnlich, dass es nicht immer so gewesen ist; auch an deinem Anfang nicht. Dass da vielmehr Menschen waren, die dich hielten, dich wärmten, die sich an dich verschenkten; Menschen, die Nächte durchwachten und sich Sorgen um dich machten; die sich ziemlich einschränkten für dich, weil du ihr Glück, ihr Licht, ihr Leben warst. Ein neugeborenes Kind schafft es, dass die ganze Welt stillsteht – und ihr Lauf unterbrochen wird.

Nein, zu Weihnachten gibt es keinen Helden; nur einen Gott in einem Kind – in der Enge einer Krippe. Und das ist der Frieden der ganzen Welt. Einen anderen Anfang kann es nicht geben. Denn Gott hat eine Leidenschaft fürs Kleine, für dich und für mich: Die wir zwar oft guten Willens, aber am Ende doch machtlos sind, oder zu träge, zu bequem, zu klein für die Probleme und Krisen der Welt; oder zu groß, zu überheblich, zu ängstlich und verbohrt für den Frieden und die Gelassenheit in uns selbst. Im Licht von Weihnachten sehen wir, dass Frieden nur durch Menschen möglich wird, die selbst so klein, so verletzlich und bedürftig werden, dass sie nicht mehr um sich beißen, andere nicht mehr angreifen, vielmehr alles, was zu Krieg und Leid und Zerstörung führt, nicht mehr können, nicht mehr können wollen!

Dann kannst du aufhören mit deiner Größe, deiner Selbstgerechtigkeit, deiner Macht und Stärke.
Du kannst dich lassen; kannst anfangen, dich hinzugeben, wie Gott sich hingab in die Hände von Menschen: entwaffnend durch die Verletzlichkeit und Hilfsbedürftigkeit eines neugeborenen Kindes. Das ist der Frieden von Weihnachten – Bethlehem, dem Heiligen Land und der ganzen Welt zugesagt. Nicht Sentimentalität und Stallromantik, sondern heiliger Ernst ist Weihnachten. Gott macht ernst, wenn er zu uns kommt. Es ist ihm ernst mit uns – und der Rettung der Welt.
Dafür hat er sich entschieden.
Das Kleine ist sein Wille.
Seine Freiheit ist die Beschränkung.
So ist er unser Friede – und der Frieden der ganzen Welt.

Christian Schad