Das Erste führte in der Folge zu einer wachsenden Zahl von Gemeindepartnerschaften, bis hin zum Austausch von Pfarrern zur Wahrnehmung pfarramtlicher Aufgaben, sogenannte Local Ecumenical Partnerships (LEP). Die Folge des Zweiten war die Einsetzung der „Meissen-Kommission“, die die Vereinbarung theologischer Gespräche in großer Regelmäßigkeit und Lebendigkeit wahr- nimmt. Sie hat eine „Doppelspitze“, einen englischen und einen deutschen Ko-Vorsitzenden – zur Zeit sind dies der Bischof von Bradford, Nick Baines, und der Landesbischof von Braunschweig, Friedrich Weber. Sie tagt abwechselnd in Deutschland und in England, wobei die Konferenzsprache jeweils die des gastgebenden Landes ist – für die englischen Teilnehmer eine nicht geringe Hürde! Das Ziel der „vollen sichtbaren Einheit“ wurde in den ersten zehn Jahren in einer Reihe von Konferenzen offensiv angegangen. Im Jahr 2003 erschien im Lembeck-Verlag eine Dokumentation dieser Konferenzen unter dem Titel „Einheit bezeugen – Zehn Jahre nach der Meissener Erklärung“. Die Beiträge der Konferenzteilnehmer behandeln ekklesiologische Themen wie die biblischen Grundlagen für die Vorstellungen von „Kircheneinheit“ und das Bischofsamt, die großen Stolpersteine auf dem Wege zur theologischen Verständigung.

In den folgenden zehn Jahren wurden diese Themen „geparkt“, wie es Nick Baines voriges Jahr im Gespräch mit einer deutschen Gruppe einmal formulierte. Die Arbeit der Meissen-Kommission wandte sich mehr den konkreten Fragen der Zusammenarbeit zu, wie z.B. der Ermöglichung eines Jugendaustauschs (allein das Finden geeigneter Gasteltern wird wegen der hohen Sicherheitsauflagen im Blick auf die Missbrauchsfälle mehr und mehr zu einem Problem und zu einer Geduldsprobe für die Beteiligten). Bezeichnend für den „Themenwechsel“ ist, dass sich das aus Anlass des Jubiläums stattfindende Seminar in London schwerpunktmäßig mit dem Thema „Christliches Selbstbewusstsein im europäischen Pluralismus“ beschäftigte. Fragen zum interreligiösen Engagement in Deutschland und England sowie Fragen religiöser Bildung sollen in der künftigen Arbeit der Meissen-Kommission eine herausragende Rolle spielen. Dabei soll und wird das bleibende Ziel der „vollen sichtbaren Einheit“ gewiss nicht aus den Augen verloren werden. Es scheint aber, dass die Voraussetzung dafür, ein solches Ziel zu erreichen, eher geschaffen wird, wenn die Kirchen sich in dem breiten Feld gemeinsamer Fragen und Probleme intensiv austauschen und sich gemeinsam ihres, des kirchlichen Ortes in einer säkularisierten Welt bewusst werden.

Pfarrerin i.E. Annegret Lingenberg

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