Insgesamt sind allerdings im Vergleich zwischen dem Zwischenund dem Schlussbericht der Synode sowohl im Ton als auch im Inhalt deutliche Akzentverschiebungen zu registrieren. In den Berichten der Sprachgruppen, die traditionsgemäß in der zweiten Phase der Synodenarbeit tagen, finden sich durchgängig kritische Anmerkungen zu der „Relatio post disceptationem“, die sich dann in der „Relatio Synodi“ weitgehend niedergeschlagen haben. Offensichtlich hat nicht wenige „Synodenväter“ (die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen, ergänzt durch vom Papst direkt ernannte Bischöfe und die Chefs der Kurienbehörden) angesichts der Grundtendenz des ihnen vorgelegten Zwischenberichts der Mut zu neuen Ansätzen verlassen, machten sich die Befürworter und Verteidiger der traditionellen Lehrpositionen deutlicher bemerkbar. Selbst die insgesamt entschärften Aussagen des Schlussberichts zu kritischen Themen stießen, wie die veröffentlichten Abstimmungsresultate belegen, zum Teil noch auf starke Vorbehalte. Dennoch lässt auch noch der Schlussbericht erkennen, dass die katholische Kirche mit der Außerordentlichen Vollversammlung der Synode im Blick auf Ehe und Familie einen Weg eingeschlagen hat, der sie mit ihren offiziellen Lehraussagen näher an die realen gesellschaftlich- kulturellen Situationen heranführen und einen größeren Freiraum für die pastorale Begleitung von Menschen in „irregulären“ Umständen ermöglichen könnte.
Bei der Bewertung von Homosexualität und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften hat allerdings das Bemühen um Lehrtreue die Oberhand behalten. Im dem Zwischenbericht von Kardinal Erdö wurde immerhin die Frage gestellt, inwieweit die katholische Kirche eine für Homosexuelle einladende Gemeinschaft werden und dabei ihre sexuelle Orientierung akzeptieren und wertschätzen könne: „Die Frage der Homosexualität fordert uns zu einem ernsthaften Nachdenken darüber heraus, wie realistische Wege eines kreativen Wachstums und einer menschlichen und evangeliumsgemäßen Reife entwickelt werden können, die die sexuelle Dimension integrieren.“ Im Schlussbericht belässt man es dagegen bei einem Zitat aus dem „Katechismus der Katholischen Kirche“, der jeder auch nur entfernten Entsprechung zwischen homosexuellen Paarbeziehungen und „dem Plan Gottes zu Ehe und Familie“ eine Absage erteilt.
Immerhin ist dem Schlussbericht (wenn auch weniger als dem Zwischenbericht) anzumerken, dass die katholische Kirche dazu bereit ist, neben dem „Plan Gottes zu Ehe und Familie“ als normativem Ausgangspunkt auch andere Beziehungskonstellationen (unverheiratete und zivil getraute Paare) in ihren Qualitäten wahrzunehmen. Es gelte, so heißt es, mit aller Klarheit die christliche Botschaft zu bekräftigen, aber auch auf „konstruktive Elemente“ in den Situationen aufmerksam zu machen, die ihr noch nicht oder nicht mehr entsprächen.
Im Blick auf den Umgang mit wiederverheiraten Geschiedenen war bei der Außerordentlichen Vollversammlung kein Durchbruch möglich, was angesichts der allgemeinen kirchlichen Diskussionslage auch nicht verwundert. Es bleibt im Schlussbericht beim Hinweis auf den Dissens unter den Bischöfen, von denen manche den wiederverheirateten Geschiedenen in bestimmten Fällen und unter bestimmten Bedingungen den Zugang zu den Sakramenten ermöglichen möchten, andere aber ein solches Vorgehen nach wie vor generell ablehnen und höchstens auf Änderungen bei den Ehenichtigkeitsverfahren setzen. Angesichts dieser Diskussionslage im Episkopat ist schwer abzuschätzen, wie es bei der Vollversammlung der Synode im Oktober 2015 weiter gehen soll. Aber die Stimmen unter den Bischöfen, die sich für eine Neuorientierung in der Frage der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten aussprechen, werden sich nicht mehr einfach ignorieren lassen.