Die diesjährige Tagung des Netzwerks Apostolische Geschichte e.V. fand vornehmlich im Raum Bensheim statt. Gastgeber waren hier zunächst die Neuapostolische Gemeinde und dann das Konfessionskundliche Institut (KI).

Die Tagungsteilnehmer*innen in der Neuapostolischen Kirche Bensheim; (c) Netzwerk Apostolische Geschichte e.V.
Grund für die Ortswahl war, wie könnte es anders sein, ein Stück Apostolischer Geschichte: Im heutigen Stadtteil Gronau von Bensheim war einstens ein Zentrum der Gemeinschaft “Christen unserer Zeit”, die sich 1949 von der Neuapostolischen Kirche getrennt hatte. Über diese Gemeinschaft war bisher nicht viel mehr bekannt als der kurze Absatz, den ihr der Gründungsleiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), Kurt Hutten, gewidmet hatte. (Vgl. sein Standardwerk Seher, Grübler, Enthusiasten. Das Buch der traditionellen Sekten und religiösen Sonderbewegungen, Quell, Stuttgart 1950 [und danach viele bearbeitete Auflagen].)
Vor einigen Monaten ist dem Netzwerk ein Akten-Konvolut dieser Gemeinschaft übergeben worden. Die Tagung diente unter anderem ersten wissenschaftlichen Sondierungen zur Geschichte und Theologie dieser Gemeinschaft, insbesondere in den Vorträgen des Vereinsvorsitzenden Mathias Eberle (Master of Theological Studies, Kirchliche Hochschule Wuppertal) und des Musikwissenschaftlers und Kirchenmusikers Andreas Ostheimer. Letzterer rekonstruierte theologische Haltungen der Gemeinschaft aus ihren Liedern im Vergleich zu neuapostolischem Liedgut der Zeit. Auch Zeitzeugen kamen zu Wort.
Offiziell existierte “Christen unserer Zeit” bis Anfang des 21. Jahrhunderts. Aber schon nach gut einem Jahrzehnt war der Zenit wohl überschritten. 1977 starb der Gründer; 1982 bestanden vermutlich noch acht Gemeinden mit insgesamt ca. 200 Mitgliedern. Was bis zur endgültigen Auflösung 2002 geschah, ist so gut wie unbekannt. Was als Öffnung begonnen hatte – u.a. die Abwendung von NAK-Stammapostel Bischoff, Briefwechsel mit Albert Schweitzer und die Gesangbücher von 1949 und 1970 mit ihren ‘entmythologisierten’ Texten deuten darauf hin – entwickelte sich zur Sondergemeinschaft, die keinen Bestand hatte.
An anderer Stelle der Tagung wurden die KI-Referenten Dr. Kai Funkschmidt und Dr. Lothar Triebel interviewt. Zentrale Frage war, in welcher Weise apostolische Kirchen und Gemeinschaften in den letzten Jahrzehnten von den landeskirchlich geprägten wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen EZW und KI wahrgenommen worden sind und heutzutage begleitet werden. Funkschmidt war, bevor er ans KI kam, zehn Jahre lange Referent der EZW und dort u.a. für die apostolischen Kirchen zuständig. Mit dem Antrag der Neuapostolischen Kirche auf Gastmitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) sowie der Entwicklung der Apostolischen Gemeinschaft zum Vollmitglied in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen und in der ACK ging die Zuständigkeit allmählich von der EZW aufs KI über; hier beschäftigt sich seit 2018 Triebel unter anderem eben mit der apostolischen Tradition und Gegenwart. Der Interviewer, Priester Andreas Martz (NAK), freute sich besonders, das KI mal von innen erleben zu können, hat er doch bereits zwei Grund- und mehrere Aufbaukurse im Fort- und Weiterbildungsprogramm des KI absolviert.