Die Tagungsteilnehmer*innen vor dem Tagungszentrum der Univ. Göttingen “Alte Mensa”. Foto: Bernd Schröder

Prof. Dr. Bernd Schröder, Professor für Praktische Theologie mit Schwerpunkt Religionspädagogik an der Georg-August-Universität in Göttingen, und Pfarrer Dr. Lothar Triebel, Referent für Freikirchen am Konfessionskundlichen Institut Bensheim (KI), luden zu dieser konfessionskundlich-religionspädagogischen Fachtagung ein. Ziel war es, Vertreterinnen und Vertreter von Landeskirchen und Freikirchen ins Gespräch zu bringen über Verständnis und Gewicht religiöser Bildung, bevorzugte Formate religiöser Bildungsarbeit in Familie und Gemeinde sowie die Einschätzung des schulischen Religionsunterrichts. Anlass zu diesem neuen Nachdenken gab die seit einigen Jahren stattfindenden Veränderung des schulischen Religionsunterrichts. So plant das Bundesland Niedersachsen für das Schuljahr 2026/27 beispielsweise die Einführung des (von den evangelischen Landeskirchen und den römisch-katholischen Bistümern in Niedersachsen verantworteten) Fachs „Christliche Religion nach evangelischen und katholischen Grundsätzen“ an öffentlichen Schulen.

Zu Beginn erklärte Dr. Lothar Triebel, dass „evangelisch“ nicht synonym mit „landeskirchlich“ und ebenso „evangelikal“ nicht synonym mit „freikirchlich“ ist. „Wenn das Christentum die Sprache ist, dann bilden die Freikirchen einen Akzent des evangelischen Kirchentums“, führte Prof. Dr. Arndt Schnepper von der Theologischen Hochschule Ewersbach aus. Er stellte heraus, dass bei den drei klassischen Bildungsorten – Familie, Gemeinde und Schule – im Bund Freier evangelischer Gemeinden die Rolle des Religionsunterrichts geringer und die gemeindliche Kinder- und Jugendarbeit stärker gewichtet sei. Zudem bilde die Gemeinschaft einen entscheidenden Faktor der religiösen Bildung. Es stellte sich heraus, dass diese Gewichtung auch für weitere Freikirchen gilt.

Je nach Bundesland gelten andere Richtlinien für Religionspädagoginnen und -pädagogen für den Erhalt der Vocatio, also der Bevollmächtigung für den Religionsunterricht. Oberstudienrätin i.R. Ulrike Arnold von der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden berichtete von Erfahrungen innerhalb ihrer Kirche, dass Religionspädagogen zusichern mussten, keine Sonderlehren zu verbreiten. Zudem wurde beobachtet, dass Freikirchen nur selten in Schulbüchern thematisiert werden. Andere Freikirchler berichteten von Bitten zu konvertieren, um zu unterrichten.

PD Dr. Nina Rothenbusch und Personalreferent Thomas Seibert vom Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden stellten heraus, dass mit der Gründung der Sonntagsschule als Bildungseinrichtung für Unterprivilegierte religiöse Bildung stets auch wesentliche Aufgabe von baptistischen Gemeinden war. Gemeindemitglieder sollten im Kontext des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen befähigt werden, mitzureden. Auch bei der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten bildet das Erziehungs- und Bildungswesen eine der drei Säulen der Kirche, so Bernd Müller, Ph.D., von der Theologischen Hochschule Friedensau. Er zeigte in seinem Vortrag Spannungslinien innerhalb der Bildungsarbeit auf – zum Beispiel zwischen Bildung und Dressur sowie Glauben begleiten und prägen.

Darüber hinaus schilderte Dr. Jochen Wagner, freikirchlicher Referent der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) und freikirchlicher Schulpastor, seine Beobachtungen zum Konnex von Religionsunterricht und ACK. Er verwies neben der sogenannten ACK-Klausel, wonach Mitarbeitende bei Landeskirche und Diakonie grundsätzlich Mitglied einer ACK-Kirche sein sollen, auf die Vereinbarung zur Predigtgemeinschaft zwischen Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) und Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD). Diese zwischenkirchlichen Vereinbarungen könnten auch zukünftig für den Religionsunterricht und den Erwerb der Vocatio eine entscheidende Rolle spielen.

Der Theologe Dr. Armin Wunderli zeigte Perspektiven aus Österreich, wo fünf Freikirchen seit 2014 als Dachverband organisiert freikirchlichen Religionsunterricht anbieten. Die Leiterin des Dezernats Bildung innerhalb der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Gudrun Neebe, zeichnete aus landeskirchlicher Sicht die Zusammenarbeit zwischen Evangelischen Landeskirchen und Freikirchen in Fragen des Religionsunterrichts nach. Ihre These: Der Religionsunterricht – auch der evangelische Religionsunterricht – ist je nach Schulart und Region höchst unterschiedlich. Ein Ergebnis der Tagung war es, die unterschiedlichen Regelungen zusammenzutragen.

Was Lehramtsstudierende mit freikirchlichem Hintergrund bewegt, hat Studentin Katharina Rödiger mit einer Interview-Studie erforscht und ihre Ergebnisse vorgestellt. Abschließend resümierte Prof. Dr. Jan Woppowa vom Institut für katholische Theologie in Paderborn, dass die Tagung den Blick vom rein binären evangelischen und katholischen Religionsunterricht geweitet und um freikirchliche Perspektiven erweitert hat. So wurde die freikirchliche Mitwirkung an einem „christlichen“ oder „ökumenischen“ Religionsunterricht diskutiert und eine erneute Tagung zu dem Thema anvisiert. Ein Tagungsband mit den Vorträgen der Tagung sowie ergänzenden Aufsätzen wird 2026 erscheinen.

Jasmin Jäger

Ansprechpartner

Pfr. Dr. Lothar Triebel
Referat Freikirchen

Telefon

06251.8433.22