Die 6. Jahrestagung des Jungen Forums Freikirchen fand vom 18.–20.9.2025 in der Theologischen Hochschule Reutlingen zum Thema Pneumatologie in Freikirchen – Zwischen Geistvergessenheit und Geistversessenheit? statt. Das Junge Forum Freikirchen (JFF) ist ein deutschsprachiges Netzwerk von Studierenden, jungen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen sowie Mitarbeitenden in Kirchen und Gemeinden, die ein besonderes Interesse an Freikirchen haben. Die jährlich stattfindenden Tagungen des JFF werden ausgerichtet vom Referat Freikirchen des Konfessionskundlichen Instituts (KI) Bensheim unter der Leitung von Pfr. Dr. Lothar Triebel. Die diesjährige Tagung wurde von Elise Ebinger, Selina Fucker und Samuel Marx organisiert. Die Tagung wurde finanziell ermöglicht durch die Stiftung „Bekennen und Versöhnen“ des Evangelischen Bundes e.V. sowie durch die EKD.
Da es bei den Tagungen des JFF immer auch darum geht, andere theologische Studienorte kennenzulernen, startete die Tagung nach einer kurzen Einführung mit einer Campusführung durch Prof. Dr. Jonathan Reinert, bei der die Teilnehmenden auch einiges über die Geschichte der Hochschule und das Studium vor Ort erfuhren. Danach starteten alle mit einer Textarbeit in das Thema Pneumatologie.
Am Vormittag des zweiten Tages standen kurze Impulsvorträge auf dem Programm: Theologinnen und Theologen sprachen über Pneumatologie in ihrem jeweiligen Gemeindebund. So berichtete Johanna Böckler (Bund Freier evangelischer Gemeinden, BFeG) über Verlautbarungen ihres Bundes, die betonen, dass die Gnadengaben nicht aufgehört haben und Gott die Gnadengaben allen Christinnen und Christen schenkt, um sie zum Dienst in Gemeinde und Mission auszurüsten. Das Sprachengebet wird als eine Gabe unter vielen betrachtet, die heute noch existiert, aber nicht als Kriterium für ein geisterfülltes Leben verstanden werden sollte. In älteren Verlautbarungen des Bundes findet sich eine Ablehnung des Charismatischen; in der heutigen Glaubenspraxis aber gibt es, besonders bei jüngeren Mitgliedern, großes Interesse an eher charismatischen Glaubenspraktiken, wie zum Beispiel dem hörenden Gebet.
Marcel Locher (Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden, BFP) führte aus, dass in den Gemeinden des BFP die Erfahrbarkeit des Heiligen Geistes betont wird. Besonders im Fokus stehen zwei Aspekte des Wirkens des Heiligen Geistes: Der soteriologische Aspekt der Wiedergeburt und der Geistestaufe und der missiologische Aspekt, die Bevollmächtigung zum Dienst durch den Geist.
Sabine Bockel (Anskar-Kirche Deutschland, AKD) referierte, dass in ihrer Kirche die Charismen als wichtiger Aspekt eines bibeltreuen Lebens angesehen werden. Die Anskar-Kirche ist überzeugt davon, dass die Geistesgaben heute noch erbeten und erfahren werden sollen. Der Anskar-Kirche ist es wichtig, Raum für das Wirken des Heiligen Geistes im Gottesdienst zu schaffen und das Entdecken der Geistesgaben durch entsprechende Seminare zu fördern.
Jan Haugg (Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, STA) stellte zunächst den Glaubenspunkt zum Heiligen Geist aus den 28 Glaubenspunkten der Adventisten vor. Anschließend betonte er, dass die eschatologische Wirkung des Heiligen Geistes für die Adventisten sehr wichtig ist, da sie eine besondere Ausgießung des Heiligen Geistes (Spätregen) vor der Wiederkunft Jesu Christi erwarten. Die Adventisten glauben nicht, dass die Geistesgaben aufgehört haben und haben eine besondere Wertschätzung der Prophetie, wobei Prophetien stets zu prüfen sind.
Über alle Impulsvorträge hinweg wurde deutlich, dass der Unterschied, welche Rolle der Heilige Geist in Gottesdienst und Frömmigkeitspraxis einnimmt, innerhalb der Gemeindebünde häufig größer ist als zwischen den Gemeindebünden. So berichteten alle Impulsgebende, dass es in ihren Gemeindebünden einzelne Gemeinden gibt, die als charismatischer als andere Gemeinden gelten.
Am Mittag beschäftigte sich die Gruppe zusammen mit Gerhard Proß (CVJM) mit charismatischer Spiritualität. Dabei wurde insbesondere das Verbindende charismatischer Erfahrungen deutlich. Anschließend führte Christoph Klaiber (Evangelisch-methodistische Kirche, EmK) in seinem Vortrag in die methodistische Pneumatologie ein. Hierbei wurde deutlich, dass die heiligende Dimension des Geistwirkens in der methodistischen Pneumatologie zentral ist und durch eine transformative Dimension ergänzt wird, deren Ziel es ist, entsprechend der methodistischen Formel “Making Disciples of Jesus Christ for the Transformation of the World” die Welt zu verändern.
Im Anschluss fand eine Begegnung mit den EmK-Bischöfen Emmanuel Sinzohagera (Bischof für Burundi und Ruanda) und Werner Philipp D.Min. (Bischof für Deutschland) statt, die beide an diesem Tag die Theologische Hochschule besuchten. Die Gelegenheit wurde auch für einen Austausch über kirchliches Leben in Deutschland und Burundi und über die Unterschiede, die vor allem beim Alter der Gemeindeglieder und bei den Ausbildungsmöglichkeiten für Pastorinnen und Pastoren sehr deutlich sind, genutzt. So lernte die Gruppe, dass von den ordinierten EmK-Pastorinnen und -Pastoren in Burundi aufgrund fehlender Möglichkeiten kaum jemand ein theologisches Studium absolviert hat und dass die Gemeinden in Burundi aufgrund der dortigen Demografie hauptsächlich junge Mitglieder haben.
Danach hielt Marcel Locher einen Vortrag zur Gabe der Prophetie in biblischer und praktisch-theologischer Perspektive. Er betonte, dass die prophetische Rede zur Erbauung, Ermahnung und Tröstung dient und es falsch wäre, die Gabe der Prophetie als ein Zeichen von besonderer geistlicher Reife zu verstehen. Die Gabe der Prophetie wird auch Neubekehrten geschenkt. Prophetie kann in Form von inspirierten Gedanken und Bildern empfangen werden. Die prophetische Rede kann auch die Form von Glossolalie und Xenolalie annehmen. Prophetie ist stets zu prüfen, besonders da die Gefahr der Manipulation durch Prophetie besteht.
Am dritten und letzten Tag ging es um Geisterfahrungen als Chance für die Ökumene. Zunächst hielt Dr. Dominique-Marcel Kosack einen Vortrag zu diesem Thema, in dem er unter anderem überraschende theologische Parallelen aufzeigte, was die Diskussionen um das Verhältnis von Geisttaufe zur Wassertaufe im Pentekostalismus und das Verhältnis von Firmung und Taufe im Katholizismus angeht.
Anschließend wurden in einem Workshop die Erkenntnisse aus der Tagung gesammelt. Dabei haben wir uns über drei Bereiche des Wirkens des Heiligen Geistes ausgetauscht: Geist und Individuum, Geist und Gemeinde/Kirche, Geist und Welt.
Bei Geist und Individuum wurde festgehalten, dass der Mensch ein Tempel des Heiligen Geistes ist und jeder Christ und jede Christin den Heiligen Geist in seinem Leben erwarten darf. Der Geist wirkt dabei nicht am menschlichen Handeln vorbei und ist daher auch im „normalen“ Handeln am Wirken. Alle vorgestellten Gemeindebünde glauben, dass der Heilige Geist soteriologisch am Individuum wirkt.
Bei Geist und Gemeinde/Kirche wurde festgehalten, dass der Heilige Geist in der Gemeinde sowohl im Gewöhnlichen, wie zum Beispiel der Liturgie, als auch im Außergewöhnlichen wirkt, zum Beispiel bei Wundern. Eine Herausforderung für Gemeinden ist es, genug Raum für den Heiligen Geist und gleichzeitig Schutz vor Missbrauch zu bieten. In einer ökumenischen Perspektive sind wir durch den Heiligen Geist verbunden, da er in allen Christinnen und Christen wirkt. Gleichzeitig gibt es ein großes Spektrum an pneumatologischen Erfahrungen und deren Interpretation.
Bei Geist und Welt wurde deutlich, wie vielfältig das Wirken des Heiligen Geistes ist. Zum einen gibt es missionarische Geistwirkungen, die zum Beispiel zu Erweckungsbewegungen geführt haben, zum anderen wirkt der Heilige Geist persönlich, um allen zu dienen. Dann gibt es eine soziale Wirkung des Heiligen Geistes, die Gemeinschaft schafft und das gesellschaftliche Klima verändern kann, und ein schöpferisches Handeln des Heiligen Geistes, das Leben schafft und erhält und eine eschatologische Dimension hat.
Über die ganze Tagung hinweg wurde somit deutlich, wie vielfältig der Heilige Geist wirkt und dass wir im Austausch über die Pneumatologie in (anderen) Freikirchen viel über diese Gemeinden, aber auch den Heiligen Geist selbst lernen können.
Selina Fucker

