Freude an theologischer Reflektion als Voraussetzung verantwortlicher ökumenischer Verständigung vermittelte Professor Gunther Wenz bei einem Studientag am 9. Oktober 2025 im Konfessionskundlichen Institut. Der Präsident des Evangelischen Bundes, Kirchenpräsident i.R. Dr. h.c. Christian Schad, hatte den in München lebenden und lehrenden Ökumeniker nach Bensheim eingeladen. Das Thema seines Vortrags lautete: „Strittige Einheit . Was macht die Kirche zur Kirche?“
Professor Wenz war von 1995 bis zu seiner Emeritierung 2015 Professor für Systematische Theologie mit dem Schwerpunkt Dogmatik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und parallel auch Direktor des Instituts für Fundamentaltheologie und Ökumene. In dieser Funktion stand er in ständigem Austausch mit römisch-katholischen und orthodoxen Theologinnen und Theologen. Seit 2015 leitet er in der Philosophischen Fakultät der Münchener Hochschule der Jesuiten die Pannenberg-Forschungsstelle.
„Wer oder was gewährleistet die Einheit der Kirche?“, dieser Frage ging Wenz, ausgehend vom Artikel VII des Augsburger Bekenntnisses von 1530, der „Magna Charta reformatorischer Lehre von der Kirche“, nach. Dort heißt es, dass die Kirche „die Versammlung aller Gläubigen“ sei, „bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden“; dies genüge „zur wahren Einigkeit der christlichen Kirche“.
Nach evangelischem Verständnis, so Wenz, ist es der Herr der Kirche, Jesus Christus, selbst, der sich in der Kraft des Heiligen Geistes in Wort und Sakrament den Menschen allein aus Gnade schenkt und darreicht, d.h. sich in der Evangeliumsverkündigung in Wort und Sakrament selbst bezeugt. Er allein sei darum Konstitutionsgrund und Kriterium der Kirche und ihrer Einheit.
Zentral ist in diesem Zusammenhang auch das ordinationsgebundene Amt der öffentlichen Predigt des Evangeliums und der Darreichung der Sakramente. Als solches diene es gerade dem Priestertum aller Getauften, insofern es das Evangelium so zur Sprache bringe, dass alle, die es hören bzw. die Sakramente empfangen und daraufhin Glaubensgewissheit erfahren, zu Priestern gemacht werden. Entscheidend ist hier also die reformatorische Überzeugung, dass die Heilige Schrift in der Kraft des von der göttlichen Selbsterschließung in Jesus Christus ausgehenden und in ihr wirksamen Geistes sie ihre Wahrheit selbst zu erschließen und Glaubensgewissheit hervorzurufen vermag.
Demgegenüber beantworte die römisch-katholische Kirche die Frage, wer oder was die Einheit der Kirche gewährleiste, mithilfe der Autoritätskategorie. Es ist, so Wenz, das im Papstamt kulminierende Lehramt, das autoritativ, aus sich heraus, befugt ist, über die Rechtmäßigkeit bzw. die Schriftgemäßheit der Evangeliumsverkündigung zu urteilen.
Erst, wenn man sich dieser Differenz bewusst sei, stelle sich die anspruchsvolle Aufgabe, beide Modelle konstruktiv aufeinander zu beziehen. Entsprechend bedürfe ernsthaft verantwortete Ökumene der Anstrengung des Begriffs. Dies auszuloten, war denn auch Gegenstand der lebhaften Diskussion, die sich aus dem inspirierenden Vortrag von Professor Gunther Wenz ergab. Die so angestoßene, sachintensive Auseinandersetzung bezeichnete Christian Schad resümierend als eine „Sternstunde“, die noch lange nachwirken werde.